Patrick Burkhalter
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Unternehmerportrait #3: Patrick Burkhalter

Als dritten Unternehmer, den wir im Rahmen des Unternehmerlehrgangs der HofAkademie vorstellen, habe ich mich mit Patrick Burkhalter von Ergon Informatik unterhalten. Ein Unternehmen, welches eine aussergewöhnlich transparente Kultur lebt.

Patrick, sag mal, wer bist du und was macht dein Unternehmen?

Ich komme aus dem Zürcher Oberland, genauer Hinwil. Nachdem ich die Kantonschule in Wetzikon abgeschlossen habe, begann ich Physik an der ETH zu studieren. Das war aber nicht meins. Ich habe mir Zeit genommen, um herauszufinden, was ich machen möchte. Schon während der Matura habe ich bei Belimo gearbeitet und dort begonnen Software zu entwickeln. So habe ich dann beschlossen, ein Informatikstudium zu beginnen. Und zwar an der Uni, nicht an der ETH. Der Grund war, dass die Uni nur eine Zwischenprüfung im Frühling hatte und ich dachte, toll, dann hab ich den Sommer frei zum Arbeiten. Einen weiteren Vorteil von der Uni ist mir erst später aufgefallen: Man hatte eben auch Wirtschaft und Buchhaltung. Und das hat mir später oft geholfen.

Im Informatikstudiengang hatte es viele gute Leute, nicht nur die Lehrer, sondern auch die Mitstudenten. Dort habe ich auch meinen späteren Business-Kollegen kennengelernt. Teddy, er hat Ergon Informatik gegründet, zusammen mit Christian Juon. 1988 bin ich bei Ergon Informatik eingestiegen. 1992 übernahm ich den Posten als CEO. Damals waren wir 8 Nasen, heute sind es 280. Vor 2.5 Jahren habe ich die Leitung abgegeben, bin aber immer noch viel hier und coache intern.

Ergon macht heute immer noch das Gleiche wie wir seit Beginn an gemacht haben. Kurz gesagt: Wir finden für die besten Informatiker die beste Arbeit 🙂 Unsere Spezialität ist Software zu entwickeln, die unseren Kunden einen Wettbewerbsvorteil bringen. Das bedeutet, dass wir das Resultat nicht einfach als Produkt an die Konkurrenz des Kunden weiterverkaufen können. Darum sind wir bewusst in unterschiedlichen Branchen tätig, denn eine nachhaltige gute Beziehung zu unseren Kunden ist wichtig.

Daneben haben wir noch ein Software-Produkt, die Webapplication-Firewall «Airlock». Das ist ein IT-Security-Produkt, die Web-Applikationen vor Hackern schützt. Daraus haben wir vor ca. 14 Jahren eine eigene Firma gemacht. Die Firma wurde dann verkauft, aber die Leute waren nicht mehr zufrieden. So haben wir kurzerhand alle wieder bei uns angestellt und die Software wieder zurückgekauft. Heute ist das einfach eine eigene Abteilung bei uns und macht ca. ¼ bis 1/3 des Umsatzes aus.

Was hat dich 1992 dazu bewegt das Unternehmen zu übernehmen?

Der eine Gründer, Christian, der damalige Geschäftsführer, wollte aufhören. So haben wir uns entschlossen, dass jeder der verbleibenden Mitarbeitenden genau gleich viele Aktien kauft. Ich wurde zum Chef gewählt und wir alle sind von Angestellten zu Unternehmern geworden. Von da an haben wir immer alles am runden Tisch in unserem Sitzungszimmer gemeinsam besprochen und sämtliche Entscheide gefällt. Über die Anschaffung eines neuen Druckers bis hin zur Auswahl von neuen Aufträgen. Alles.

Lebt ihr diese Kultur noch heute?

Ja. Alle Leute, die neu eingestellt wurden, durften auch an diesem runden Tisch sitzen. Das unterscheidet uns von anderen Unternehmen. Gleiche Rechte und Pflichten, aber alle waren auch am Gewinn der Firma beteiligt.

Wir waren selber gespannt darauf zu sehen, wie viele Leute man werden kann, um diese Art der transparenten Kultur zu leben. Stellt sich heraus, dass es auch mit 280 Mitarbeitenden noch funktioniert. Wir leben vollkommene Transparenz, es weiss jeder, was der andere verdient. Das zwingt einen dazu, faire Löhne zu machen, was wiederum dazu führt, dass man auch nicht «über den Tisch gezogen» werden kann, da es allgemeingültige Standards gibt, z.B. wie viel man mit einer gewissen Berufserfahrung kriegt. Das fördert das Vertrauen der Mitarbeitenden immens.

Wir versuchen noch immer, die Arbeit auf langfristig möglichst konstant bleibenden Teams von 5-15 Leuten aufzuteilen. Natürlich braucht es auch neue Leute, damit sie nicht «verholzen», aber ansonsten sollen die Teams möglichst konstant zusammenarbeiten können. Und Ende Jahr kriegt jedes Team Geld mit dem Auftrag: Verteilt es so, wie ihr das Gefühl habt, das es fair ist.

Natürlich ist es seit einigen Jahren nicht mehr möglich, alles an einem Tisch zu besprechen. Dafür haben wir aber eingeführt, dass wenn ein Chef etwas entscheidet, das Team die Möglichkeit hat, das Referendum dagegen zu ergreifen.

Wie kommuniziert ihr diese Entscheide?

Es gibt da verschiedene Möglichkeiten. Zum Beispiel Blogposts im Intranet, ein monatliches Business-Info (mündliches Briefing der GL, ca. 45 Min für alle Mitarbeitenden) usw. Aber der persönliche Kontakt ist immer noch das wichtigste Kommunikationsmittel. Da kommt mehr rüber.

Was macht eine gute Unternehmenskultur aus?

Kurz gesagt: Gleichberechtigung, Mitbestimmung, Transparenz. Auch ich muss den Geschirrspüler ausräumen, wenn ich mein dreckiges Kafi-Tassli einräumen will.

Gab es auch schon Mitarbeiter, die das nicht so gelebt haben? Probleme damit hatten? Und was machst du mit solchen Leuten?

In der ganzen Geschichte von Ergon gab es vielleicht zwei Personen, die das Gefühl hatten, sie seien mehr Wert als die anderen. Sie wollten mehr Geld. In einem Fall war es wirklich jemand, der effektiv besser war als die anderen, aber so funktionierte es halt bei uns…

Der beste Informatiker ist etwa 30x produktiver wie der schlechteste. Dazu gibt es Untersuchungen. Wir versuchen, den oberen Teil zu rekrutieren. Aber auch da gibt es natürlich Unterschiede. Es gibt brilliante Leute, die sehr schnell und gut arbeiten und die fühlen sich bei uns gleich wohl. Obwohl sie besser sind, haben sie den genau gleichen Druck wie die anderen. Die meisten finden es trotzdem fair, dass sie gleich viel bekommen, wie die anderen.

Grundsätzlich verdient man ja in unserem Job nicht wenig, das muss man auch wissen.

Was für Eigenschaften machen aus deiner Sicht einen guten Unternehmer aus?

Mir hat mal ein Kollege, der an der Uni St. Gallen Professor ist, erklärt, was der Unterschied ist zwischen einem Manager und einem Unternehmer. Der Manager kann ohne Strategie nicht arbeiten. Ein Unternehmer «macht» einfach. Wenn man ihn nach einer Strategie fragt, dann erzählt er das, was er machte. Aus dem Bauch heraus weiss ein typischer Unternehmer einfach, was das Richtige ist. Aber dafür muss er natürlich auch die Konsequenzen tragen, weil er meistens am Betrieb finanziell beteiligt ist.

Ein Unternehmer hat einfach ein «Gspüri», das Richtige zu tun. Und gleichzeitig; die Unternehmer und Unternehmerinnen, die ich kenne, sind meistens neugierig auf Neues, sie reflektieren, hinterfragen das, was sie machen kritisch und überlegen, wie sie es besser machen können. Sie vergleichen mit anderen, lernen davon und versuchen sich weiter zu entwickeln.

Diese Frage beantwortet Patrick auch per Video:

Welches sind deine High- welche deine Low-Lights?

Da gibt es viele! Höhe- und auf Tiefpunkte haben wir fast täglich. Spannend ist für mich vor allem diese Geschichte:

Schon vor der Internet-Bubble halte ich einmal jährlich einen Vortrag an der ETH darüber, wie wir als Unternehmen funktionieren. Und da musste ich immer erzählen, dass ich nicht weiss, ob das, was wir hier machen nur einfach ein Schönwetter-Modell ist. Die Bubble platzte bekanntlich und wir haben im Jahr 2002-2005 den Umsatz halbiert. Wir haben keinen einzigen Mitarbeiter entlassen. Zugegeben, wir haben vorher auch sinnlos viel Geld verdient. 50% des Umsatzes hatten wir damals mit einem grossen Kunden gemacht. Dann hat dieser Kunde alles nach Indien ausgelagert.

Dann gab es intern Meetings und Diskussionen. Wir hatten zwei Möglichkeiten: Entweder wir entlassen Leute oder alle verzichten auf einen Teil unseres Lohns. Es gab eine Abstimmung über alle Mitarbeitenden und es wurde zwei Mal einstimmig entschieden, dass wir lieber auf einen Teil des Lohns verzichten, anstatt Leute zu entlassen. Es waren etwa 25% des Salärs, die gekürzt wurden.

Seit da sag ich: Unser Modell funktioniert extrem gut, auch wenn’s mal schlecht läuft. Und dank der Transparenz weiss auch jeder: Der Chef kriegt nicht einfach mehr Geld, sondern wir hocken alle im gleichen Boot und ziehen es halt einfach durch. Im Nachhinein ist das für mich eigentlich ein Highlight. Auch wenn die Situation als solche natürlich nicht befriedigend war.

Eine andere Situation war vor ca. 10 Jahren. Als wir zu wenig Platz hatten und neue Büros gesucht haben. Wir mussten raus. In Wetzikon stand gerade zu dieser Zeit ein Stück Land zum Verkauf. Direkt neben dem Bahnhof, das hätten wir haben können und von Grund auf Bauen können. In der Stadt Zürich waren die Mietpreise vier Mal höher als in Wetzikon. Aber die Mitarbeitenden hätten halt einen längeren Arbeitsweg auf sich nehmen müssen. Da haben wir die Mitarbeiter gefragt: Was wollt ihr lieber? Der Deal war, dass die Mitarbeitenden alles, was wir eingespart hätten mit dem Bau in Wetzikon, als zusätzliches Salär ausbezahlt bekommen hätten. Das wären rund 8000 Franken pro Mitarbeiter gewesen. 80% der Leute wollten lieber in der Stadt bleiben und auf das Geld verzichten. Die zweite Frage, die wir gestellt haben war: Was macht ihr, wenn wir nach Wetzikon umziehen? 1/3 der Belegschaft hätte gekündigt. Ich hätte als Chef lieber die Variante Wetzikon gehabt. Aber die Mitarbeiter wollten es anders. Und seit da haben wir unsere Büros rund um den Stadelhofen herum.

Wie bist du auf die HofAkademie gekommen?

Beat Jucker hat mich angerufen.

Ich kannte Jucker Farm durch meine Frau ein bisschen, sie war als Kind immer bei Jucker Äpfel einkaufen. Und dann haben wir vor 20 Jahren das Firmenjubiläum bei ihnen gemacht. Das war das erste Mal, dass die Juckers einen externen Anlass organisiert haben. Das haben sie uns natürlich damals nicht gesagt (schmunzelt).

Das zweite Mal in Kontakt gekommen sind wir im Wettbewerb um den «Entrepreneur of the Year», wo Jucker Farm gewonnen hat. Sie hatten die bessere Geschichte zu erzählen, als ich. Seit da hatten wir immer mal wieder Kontakt.

Und meine Frau hat Beat schon 2,3 Mal in der Sauna getroffen in Scuol. Wir haben da eine Ferienwohnung, aber ich selber gehe halt nicht so gern in die Sauna.

Wieso engagierst du dich als Mentor bei der HofAkademie?

Ich würde es spannend finden, andere Leute und Unternehmer kennen zu lernen. Ich habe gemerkt, dass wenn ich erzähle, wie wir funktionieren, dann lerne ich selbst auch wieder dazu. Dieses Mentoring ist etwas, das ich für mich mache. Schon auch, um etwas weiter zu geben, aber ich glaube nicht, dass das was wir machen als Rezept 1:1 übertragbar ist auf andere Betriebe. Aber es hilft einem Jungunternehmer vielleicht, gewisse Denkanstösse zu kriegen, dass es eben auch anders funktionieren kann.

Und – ich habe Zeit, weil ich ja nicht mehr operativ tätig bin.

Was machst du neben deiner Arbeit?

Ich bin noch im VR von der Belimo, das ist etwa ein 20% Job.

Als Hobby habe ich Gleitschirmfliegen (ausser jetzt gerade, habe ein halbes Jahr Pause, weil ich beim Fliegen Ferse gebrochen habe), sonst geh ich gerne in die Berge. Gehe gerne Reisen. Vor allem finde ich es spannend, in anderen Ländern zu sehen, wie die Wirtschaft und die Firmen funktionieren. Das ist jetzt gerade bei der Belimo extrem spannend. Ich reise häufig in Länder, wo sie Niederlassungen haben. So lernt man die Leute anders kennen, nicht als Tourist, sondern als Geschäftsmann. Zu sehen, wie die Wirtschaft da funktioniert. Da besuche ich auch andere Firmen, also Kunden, Lieferanten und so… Ich finde das extrem interessant.

Hier geht's zu den weiteren Portraits:

Unternehmerportrait #1: Stefan Müller von der Müller Holzbau AG
Unternehmerportrait #2: Erwin Meier vom Garten-Center Meier

Nadine Gloor mit Quiche Nadine Gloor

Nadine kam von der Bank zum Bauernhof. Sie ist seit 2016 Marketing- und Kommunikationschefin bei Jucker Farm. Ihre Spezialität ist die digitale Kommunikation. Neben Ihrem Job reist sie leidenschaftlich gerne (Zum Portrait).

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