
Unternehmerportrait #4: Sandro Walder
Der vierte Unternehmer, den wir im Rahmen des Unternehmerlehrgangs der HofAkademie vorstellen, heisst Sandro Walder und ist Inhaber der walder,werber werbeagentur ag in Uster – und ab Sommer auch in Zürich. Er empfängt mich in der Werberstube, dem eigenen Co-Working-Café der Agentur.
Sandro, sag mal, wer bist du und was macht dein Unternehmen?
Ich bin 2005 in die familieneigene Agentur eingestiegen, habe sie 2011 übernommen und führe sie heute als CEO. Die Agentur gibt es seit 1970, gegründet von meinem Vater. Heute sind wir 25 Mitarbeitende und machen Markenentwicklungen und -positionierungen, Kommunikation und Werbung. Egal ob digital, klassisch oder bis ins 3D. Eine Marke ist nicht an einen Kanal gebunden, sondern muss übergreifend funktionieren und genau so gehen wir unsere Projekte auch an.
Wie bist du zur Werbung gekommen? Wolltest du schon immer das Familienunternehmen übernehmen?
Wir lebten über der Agentur, klassisch, die unteren zwei Stöcke Atelier, im dritten und vierten Stock Wohnhaus. Das hat mich sicher geprägt. Ich fand das Metier schon immer super spannend, es war aber nie ein Zwang auch einzusteigen. Ich habe den kreativen Weg eingeschlagen, freiwillig. Markenkommunikation habe ich schon immer sehr spannend gefunden, die Frage, was kann eine Marke in mir bewirken, faszinierte mich.
Ich arbeitete nach der Ausbildung bei Jung von Matt, habe dann aber schnell gemerkt, dass Werbung und Grafik alleine mich nicht erfüllt. Branding und Design ist immer noch eine grosse Leidenschaft von mir, aber daneben interessierte mich auch das Unternehmerische. Darum absolvierte ich diverse Weiterbildungen im Bereich Marketing, Kommunikation und Management. Im Anschluss arbeitete ich ei Hauser & Partner AG im Bereich Event und Live-Communication.
Schon mit 16 habe ich begonnen selber Produkte zu entwickeln und zu vermarkten. Ich wusste schon immer, dass ich selber Unternehmer sein wollte, dass es aber die Familienagentur ist, das wusste ich nicht. Und ich glaube, wäre es ein Muss gewesen, dann hätte ich es nicht gewollt. Da habe ich etwas einen Dickkopf und eine sehr starke Meinung davon, was ich gut finde und gerne mache. Mein Vater und ich haben auch nie konkret über eine Firmenübernahme gesprochen. Aber durch einen plötzlichen gesundheitlichen Notfall musste ich in die Hosen. Ich bin dann ad interim sechs Monate eingesprungen, konnte meinen anderen Job um 20% reduzieren. Kam immer frühmorgens in die Agentur und abends nach dem Arbeiten. Dies war keine langfristige Lösung. Aber es war mir wichtig, die Familienagentur am Laufen zu halten. Wir waren damals zu fünft und der Patron ist ausgefallen, das hätte das Ende der Agentur bedeuten können. Mir wurde Raum gegeben, mich zu entfalten, ich musste nicht einfach seinen Stil 1 zu 1 übernehmen. Da habe ich die Chance gepackt und bin voll ins Familienunternehmen eingestiegen.
Ich konnte der Agentur meinen eigenen Stempel aufdrücken. Wir sind auch stark gewachsen, damals waren wir fünf, heute 25 Mitarbeitende. Es ist viel gelaufen zwischen meiner Generation und der meines Vaters. Ich denke, die klassische Agentur von früher gibt es gar nicht mehr. Es ist jetzt meine Agentur – oder besser gesagt unsere, denn es ist eine Leistung des ganzen Teams. Wir haben die Agentur gemeinsam in die Neuzeit geführt. Werbung in dem Sinne ist immer noch gleich. Es geht darum ein Produkt oder eine Dienstleistung einem bestimmten Zielpublikum schmackhaft zu machen und schlussendlich erfolgreich zu «verkaufen». Aber die Kanäle und die Arbeitsweise ist komplett anders. Unsere Branche ist schnelllebig, sie erfindet sich täglich neu. Deshalb macht es mir immer noch Freude, in dieser Branche zu arbeiten. Weil das Umfeld immer im Wandel ist, immer kommt etwas Neues dazu.
Welche Kultur wird in deinem Unternehmen gelebt? Was lebst du vor?
Das «Machen» - nicht blödsinnig und ohne überlegen, sondern gut analysieren und hinterfragen und dann umsetzen. Ich versuche auch meine Mitarbeitenden zum Machen zu motivieren. Das funktioniert nicht bei allen, das ist auch ok. Aber es braucht Macher in einer Agentur. Und ich versuche ihnen den Raum zu geben, den sie brauchen. Wir haben viele junge Mitarbeitende, die schon lange dabei sind. Das ist im Agenturumfeld nicht gerade Standard. Das zeigt mir, dass ich den Machern genügend Raum gebe, sonst wären sie schon lange weg. Die müssen sich entfalten können. Die Arbeit in der Agentur muss Freude und Spass machen. Das merkt man dann auch in den Projekten mit Kunden bzw. an den Resultaten. Die Freude hilft auch mit dem Druck umzugehen. Sonst verliert man die Motivation.
Das Miteinander ist für uns in der Agentur sehr wichtig. Sowohl mit den Mitarbeitenden, aber auch mit den Kunden. Zusammen entwickeln. An einem grossen Tisch. Alleine sind wir gut, zusammen sind wir extrem gut. Bei uns gibt es wenige Generalisten, sondern viele Spezialisten. Diese muss man zusammenbringen, sonst funktioniert es nicht. Bei unseren Projekten arbeiten meist vier bis acht Leute zusammen. Diese Wir-Kultur wird wirklich gelebt.
Ich bin auch kein typischer Chef. Überall wo es nötig ist, packe ich mit an, sei es abends um 22 Uhr, um ein Projekt zu beenden oder beim Ausräumen der Geschirrspülmaschine. Da fällt mir kein Zacken aus der Krone. Es gibt keine «Chefetage» bei uns. Werte vorleben ist nämlich das Wichtigste. Ein geschriebener Wert ist meiner Meinung nach nichts wert. Wir entwickeln darum auch keine 0815-Leitbilder für Kunden. Schöne Werte, wie modern, innovativ, nachhaltig usw., so apropos Einheitsbrei (lacht). Das bringt nichts. Werte müssen gelebt, nicht nur aufgeschrieben werden. Und Werte müssen dynamisch sein. Es gibt nichts schlimmeres als diese fixen Standardwerte, die komplett generisch und nicht greifbar sind. Und wichtig ist schlussendlich die Kultur, das ist dort wo die Werte gespürt und gelebt werden. Und zwar nicht nur bei Teamevents und -anlässen, sondern im Alltag.
Gab es auch schon Mitarbeiter, die das nicht so gelebt haben? Probleme damit hatten? Und was machst du mit solchen Leuten?
Das gibt es immer wieder. Ich frage mich dann, wieso kann und will er oder sie die Werte nicht leben? Und je nach dem ist diese Person dann einfach nicht am richtigen Ort, im richtigen Job. Kling hart, ist aber so. Ich musste auch lernen, dass es den Mitarbeiter fürs Leben wohl nicht gibt und man kann es nicht allen recht machen. Lieber diejenigen fördern, die wollen und ins Unternehmen passen. Das wirkt sich auch positiv auf den Teamspirit aus.
Was für Eigenschaften machen aus deiner Sicht einen guten Unternehmer aus?
Viel Begeisterung. Ein guter Unternehmer muss begeistern können, muss Freude haben an dem was er macht und wie er es macht. Und er muss auch hinter dem stehen was er macht, ob das nun ein Produkt, eine Dienstleistung ist. Das lieben was er hat und macht und das gegen Aussen transportieren. Immer ehrlich sein und ein offenes Ohr haben. Sei es mit den Mitarbeitenden, den Kunden, den Lieferanten. Mit offenen Karten spielen, sagen was ist und es auch so leben.
Ich selber bin ein ungeduldiger Mensch, ich will, dass es vorwärts geht. Und ich glaube, ein erfolgreicher Unternehmer muss hungrig sein. Nicht nach Reichtum oder Materiellem, sondern einfach nicht träge werden. Ein Unternehmer will sich und sein Team weiterentwickeln. Man muss immer wieder Neues lernen, ausprobieren, entdecken.
Mut haben und Mut geben ist ebenfalls wichtig. Seinem Team zeigen, dass man mutig sein darf, dass Fehler ok sind. Man muss als Unternehmer so viele Entscheidungen treffen und man weiss meistens nicht, ob nun Variante A oder B die Richtige ist. Irgendwann muss man sich entscheiden und das erfordert Mut. Als Unternehmer steht man schlussendlich hinter dieser Entscheidung und muss die Konsequenzen tragen.
All diese Eigenschaften braucht es in der Werbebranche. Man muss die Kunden motivieren, begeistern können. Denn kein Unternehmen gibt gerne Geld aus für Werbung, bei der man den exakten ROI (Return on Investment) im vornherein nicht festlegen kann. Kunden begeistern kann man durch mutige, unkonventionelle Ideen, die in einem motivierten Team gemeinsam entwickelt und umgesetzt werden.
Welches sind deine High- welche deine Low-Lights?
In der Werbung erleben wir tagtäglich Highlights. Wenn du eine tolle Kampagne entwickelst und du diese dann als Plakat siehst, dann macht das stolz. Wenn du dann die Leute begeistern kannst, zum Schmunzeln bringst, das sind Highlights. Manchmal sehen wir diese aus Betriebsblindheit gar nicht mehr. Wenn man sich aber mal zurückerinnert, fällt einem plötzlich auf, wie viele solcher Highlights wir im Alltag haben. Bei meinem Job ist auch schön, dass man das Ergebnis meistens Anfassen oder Anschauen kann. Das macht zufrieden.
Weniger schön ist, dass in der Branche etwas der Mut fehlt. Auch bei uns in der Agentur. Man muss den Mut aufbringen, Werbung zu machen, die vielleicht nicht jedem und jeder gefällt. Der Einheitsbrei ist das Resultat aus dieser Mutlosigkeit, man will es jedem recht machen. Und das ist für eine Marke nicht förderlich. Ecken und Kanten und Selbstbewusstsein fehlt. Und das ist auch die Aufgabe der Agentur, dass man das ermutigen sollte. Im Digitalen erst recht, dort geht es ja ums Ausprobieren. Aber das einem Kunden zu erklären ist schwierig. Es braucht mehr Ideen – und wir müssen Kunden gewinnen, die bereit sind, solche Ideen umzusetzen. So entsteht nämlich gute Werbung. Wir arbeiten primär für KMU Betriebe, nicht Konzerne. Unser Ansprechpartner ist meistens der Inhaber oder CEO. Da bringt man auch etwas speziellere Ideen schneller durch. Konzerne achten viel zu sehr darauf, ja nichts falsch zu machen. Ich finde, wir dürfen «falsch» machen, nur so können wir etwas bewegen.
Als Unternehmer an sich habe ich bis jetzt nur kleinere Stolpersteine erlebt. Das Unternehmen ist stark gewachsen. Dabei ist nicht alles mitgewachsen, Prozesse zum Beispiel. Das sind wir jetzt am Aufholen. Und was ich gelernt habe ist, dass Wachstum nicht nur positiv ist. Ich empfinde eine Agentur, die eine familiäre Grösse hat als angenehmer als eine Grossagentur. Dort gibt es weniger Nähe, weniger Persönlichkeit. Man ist auch weniger involviert, nicht nur der Chef oder Unternehmer, sondern alle Mitarbeiter. Es hat uns auch gezeigt, dass durch Wachstum eher Probleme entstehen als gelöst werden. Je mehr Leute, desto mehr Organisation, mehr Struktur, mehr Führung. Das hätten wir sicher besser machen können. Wir waren da vielleicht auch allzu fest die «Macher». Jetzt sind wir auf dem richtigen Weg, würde ich sagen.
Wie bist du auf die HofAkademie gekommen? Was reizt dich am Mentoring?
Beat und Martin Jucker kannte ich flüchtig schon länger, früher sogar noch von Ausgangszeiten. Meine Frau ist Start-Up-Anwältin und sie ist auf die HofAkademie aufmerksam geworden. So kam ich mit Alessandro Semeraro (Leiter HofAkademie) und Martin ins Gespräch. Was mich sehr angesprochen hat ist der praktische Ansatz den die HofAkademie verfolgt. Den Erfahrungsaustausch zwischen Unternehmern. Von meinem Job her erhalte ich viele Einblicke in KMUs. Dort geht es um Fragestellungen wie «Wie entwickeln wir uns als Unternehmen weiter? Wie transformieren wir uns? Wie gehen wir mit der Digitalisierung um?» In diesen Prozessen agiere ich oft als Unternehmensberater, da ich als Aussenstehender zuhöre und neutral und ehrlich meine Meinung sagen kann. Diese Erfahrungen möchte ich gerne weitergeben.
Und auch der Brand Jucker Farm begeistert mich, nicht nur für das Geburtstagsfestli meiner Tochter. Die Juckers haben schon immer Mut bewiesen und sind ihren eigenen Weg gegangen. Einfach machen, nicht nur klönen und träumen.
Was machst du neben deiner Arbeit?
Ich bin glücklich verheiratet, habe zwei Töchter und ich finde es sehr schön, Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Wir sind viel unterwegs und lassen uns überall inspirieren. Und diese Zeit nehme ich mir, auch wenn es manchmal schwierig ist. Familie ist für mich nicht nur ein Ausgleich zum Job, sondern hat den gleichen Stellenwert. Ich bin überzeugt, dass man Unternehmensführung und Familie unter einen Hut bringen kann. Manchmal ist es auch eine Einstellungssache. Ich beginne z.B. sehr früh am Morgen, schaue aber, dass ich sicher an 3 Abenden pro Woche zu Hause bin. Ich möchte meine Kinder aufwachsen sehen. Ich kenne viele Kollegen, die das verpasst haben und es jetzt bereuen.
Einen Luxus, den ich mir herausnehme, sind vier Wochen Urlaub im Sommer in Kalabrien. Es geht, es ist nur eine Einstellungs- und Organisationssache. Man ist ja auch im Urlaub immer erreichbar. Im Winter sind wir an den Wochenenden viel in den Bergen und schalten in der Natur ab. Ich finde, man ist dann auch viel motivierter am Montagmorgen.
Zu den weiteren Portraits:
- Stefan Müller von Müller Holzbau
- Erwin Meier-Honegger vom Garten-Center Meier
- Patrick Burkhalter von ergon Informatik
Weitere Infos rund um die Lehrgänge der HofAkademie:
Noch keine Kommentare zu “Unternehmerportrait #4: Sandro Walder”