Der Preis der «Tiefpreisgarantie»
Immer wieder trifft man sie an. Konsument*innen lockend schreit sie auf Plakaten und Website-Bannern entgegen, in einer aggressiven Sprechblase mit markanter Schrift: Die Tiefpreisgarantie. Wer könnte ihr widerstehen?
Doch was bedeutet das überhaupt? Wie wird es als Verkäufer möglich, eine Tiefpreisgarantie zu geben? Und was heisst das für den Produzenten?
Wir als Bauernhof geben unseren Senf dazu. Aber im Prinzip gilt dies auch für jedes andere Produkt.
Der tiefste Preis - garantiert
Vorab – niemand kann eine Tiefpreisgarantie mit letzter Sicherheit abgeben. Gerade wenn man in der Schweiz lebt, erhält man eine Ware meist irgendwo anders auf der Welt eben noch günstiger. Konzeptionell kann der tiefste Preis gar nicht tief genug sein. Er liegt bei Null oder darunter.
Es ist ein verlockendes Verkaufsargument. Wie funktioniert es? Es spricht den Konsumprimaten in uns an: «Hier verschaffst du dir einen evolutionären Vorteil, weil du etwas günstiger kriegst, als es eigentlich Wert wäre».
«Irgendeiner bezahlt die Rechnung»
...und meistens ist es der Bauer.
Spätestens jetzt müsste es dem Homo Sapiens aber dämmern: Irgendeiner bezahlt die Rechnung. Und das ist meist eben gar nicht der ach so grosszügig scheinende Verkäufer. Denn der Rabatt geht nicht auf seine Kosten. Den Rabatt kann er nur gewähren, weil er den Produzenten bis aufs Letzte ausgepresst hat.
Du willst Spargeln für 4 Stutz das Kilo? Einen Burger für 1 Stutz? Klar, kannst du haben, wenn du als Konsument*in sofort zupackst! Sei dir einfach bewusst, was das für den Produzenten am Ende der Produktkette bedeutet…
Die Folgen für den Produzenten
Was Konsument*innen oft vergessen: Sie bezahlen eben nicht nur das Produkt. Nehmen wir den Spargel. Die Spargelpflanze muss zuerst gesetzt und gepflegt werden. Dann braucht es jemanden, der/die das Ding von Hand aus der Erde holt. Dann wird das Gemüse gewaschen, sortiert und gerüstet. Anschliessend gekühlt und in den Laden gebracht, und da ist eine Peron, die an der Kasse steht und den Spargel verkauft. Es sind also jede Menge Leute daran beteiligt, den Spargel dahin zu bringen, wo man ihn kauft. Und da wir eigentlich nicht mehr im Zeitalter der Sklaverei leben, sollten die Leute, die für ein Kilo Spargeln arbeiten, auch anständig verdienen.
Warum «eigentlich»? Weil der Konsumprimat Preise bezahlen will, die durch Sklaverei erzielt werden können – oder nennen wir es Lohndumping. Es gibt eine Faustregel:
Der Kilopreis von Spargeln entspricht in etwa dem Stundenlohn des Produzenten. Unsere Erntehelfer*innen kriegen also ca. 18 Stutz die Stunde, weil wir unsere Spargeln ungefähr zu diesem Kilopreis verkaufen können. Mehr zu dem Thema:
Ist das wirklich erstrebenswert?
Erntehelfer*innen in Mexiko kriegen also noch 4 Stutz… Ah nein, die Spargeln müssen ja noch über den Atlantik geschippert werden. Dann bleibt, mit etwas Glück, noch die Hälfte. Fair hä?
Das heisst, weil der Konsumprimat scharf ist auf seine «geil-günstigen» Spargeln für vier Stutz, bekommen Erntehelfer*innen in Mexiko auch nicht mehr dafür. Sie sind es, die die Zeche zahlen...
Und für alle, die jetzt sagen, sie können es sich nun mal aber nicht leisten, mehr dafür zu bezahlen: Die Person in Mexiko kann sich dann nicht mal eine Wohnung, oder eine Sozialversicherung leisten. Geschweige denn ein Kilo Spargeln. Die werden nämlich alle nach Europa exportiert.
Was alles beim Kauf eines Produkts bezahlt werden muss, haben wir vor einiger Zeit am Beispiel einer Heidelbeerkonfi transparent illustriert: Der Preis einer Heidelbeerkonfi.
Unser abschliessendes Votum: Preissensitivität in allen Ehren, aber vielleicht kauft man lieber direkt beim Bauern/der Bäuerin ein, dann kommt das Geld auch da an, wo es soll. Oder wie es dieser gescheite Spruch sagt:
«The bitterness of poor quality remains long after the sweetness of low prices ist forgotten.»
Zum Thema: «Wie viel ist unser Essen wert» hat Nadine Gloor mit Raphi Peterhans eine spannende FarmTalk Folge aufgezeichnet:
Paul Dreier
Hallo, wie immer grossartig geschrieben und das Thema auf den Punkt gebracht. Gratulation! LG
Valérie Sauter
Danke für die Blumen ;-)
Daniel Witt
Sehr guter beitrag. Ihr trefft damit sicher einen Nerv. Ich selber bin völlig gegen diese Dumpingpreise und unterstütze sie nicht. Gegen einen Rabatt habe ich nichts , er sollte einfach verhältnismässig sein. Und selbst dann gibt es Menschen , die dann jammern es sei zuwenig Nachlass.
D.Witt
Valérie Sauter
Lieber Daniel, danke für deinen Kommentar. Ja gell, vielleicht werden wir eines Tages bezahlt fürs Konsumieren ;-P.
Alexander Stuber
Endlich jemand, der das Kind beim Namen nennt. Leider ist dies nicht nur bei Spargeln so, sondern auch bei unseen Kleidungsstücken, Mbiltelefonen, Gartenmöbeln, Kartoffeln, ja selbst bei den Pfastersteinen unserer Dorfplätze, die der Stadtrat so billig wie möglich zu beschaffen hat, weil es um unser Geld geht, jenes der Steuerzahler…
Schade nur, dass wir dies auf diese Seite lesen, die wohl sowieso nur von bereits auf diesem Gebiet sesibilisierten Konsumenten gelesen wird. In den Blick gehörte das und in den Tagi, die NZZ und 20 minuten…
Valérie Sauter
Danke für die Lorbeeren! Uns ist wichtig, genau solche Themen eben anzusprechen. Schön, dass das auf breite Zustimmung stösst. Wir bemühen uns laufend, das noch mehr Menschen klar zu machen.
Heini Maurer
Ganz genau so ist es. Gut, dass das jemand sagt, der das gut kann, und eben auch gut schreiben kann!! Bravo und danke !
Elisabeth Heimlicher
super artikel, genau so ist es!
Nadine Gloor
Danke für deinen Kommentar zum Artikel.