
Forschende brauen aus Hof-Hanf Bier
Auf dem Juckerhof in Seegräben wächst Hanf. Dieses Mal ist das kein Aprilscherz. Auf einem langen Streifen in unserer Wildkultur gedeihen die Pflanzen als Teil eines ZHAW-Forschungsprojekts. Hinter dem Projekt mit dem Namen bitter_nectar stecken Ainaz Bahadorikarashkouli, Marina Skorulskaja, Sandrine Barussaud Tiendrebeogo und Emanuel Hitz. Ihr Ziel ist es, aus den Hanfblüten einen Extrakt herzustellen, aus dem sich dann Bier brauen lässt. Damit möchten sie Hanf in der Schweiz als landwirtschaftliches Multitalent (re)etablieren.
Wie Emanuel erklärt, ist der Anbau von Faserhanf – der unter anderem für die Textilproduktion verwendet wird – für hiesige Landwirtschaftsbetriebe wenig attraktiv. Zu klein sind die Einnahmen pro Hektare. Gäbe es für Bäuer*innen jedoch eine Möglichkeit, auch die Hanfblüten zu verkaufen, könnte sich das schnell ändern.
Schwieriger Hopfenanbau
Das Projekt adressiert ausserdem ein zusehends dringlicher werdendes Problem der Bierindustrie. Hopfen – eine der vier Grundzutaten von Bier – ist nämlich ziemlich heikel und wächst nur in spezifischen Regionen. Die Klimaerwärmung und die dadurch sinkenden Erträge und der niedrige Gehalt an Alphasäure im Hopfen (dazu später mehr) sorgen dafür, dass der Anbau auch in den traditionellen Anbaugebieten mehr und mehr zur Herausforderung wird.
Die in Bayern liegende Kulturlandschaft Hallertau etwa gilt als grösstes Hopfenanbaugebiet der Welt. Weil der Grundwasserspiegel sinkt, soll nun Wasser aus den umliegenden Flüssen ins Anbaugebiet geleitet werden. Ein teures Projekt, das das wahre Problem laut Emanuel nicht löst, sondern nur verschiebt.
Wächst wie Unkraut
Hanf hingegen hat mit Hitze kein Problem, wächst in unterschiedlichen Höhenlagen und gedeiht auf verschiedenen Breitengraden. Auch sonst ist die Pflanze sehr unkompliziert. Der Übernahme «Weed» - auf Deutsch Unkraut – komme nicht von ungefähr, sagt Emanuel. Hanf wächst nämlich auch sehr schnell. Bepflanzt haben die Forschenden die rund 40 Quadratmeter bei uns auf dem Juckerhof im Mai. Im Juli soll bereits geerntet werden.
Das Gewächs mit den handförmigen Blättern hat noch weitere Vorteile:
- Weil Hanf sehr resistent ist, sind so gut wie keine Pestizide oder andere Pflanzenschutzmittel nötig.
- Die Hanfwurzeln reichen bis tief in den Boden und kommen darum fast immer selbstständig an Wasser ran.
- Hanf lässt sich auch über den Winter anbauen. Somit könnten Landwirt*innen verhindern, dass in der kalten Jahreszeit Brachen entstehen.
Hanf wird häufig nur als Rauschmittel angesehen. Nutzhanf enthält aber so gut wie kein THC. Auch das im Rahmen des Forschungsprojekts entstehende Bier soll weder «high» machen noch stark anders schmecken als herkömmliches mit Hopfen gebrautes Bier.
Hanf was Hopfen
Wie Emanuel erklärt, sind Hopfen und Hanf miteinander verwandt. Ihre Blüten schmecken daher auch ähnlich. Der Brauprozess ist trotzdem ein bisschen anders. Die Hanfblüten enthalten sogenannte «Flavonoide». Sie gehören zu den Polyphenolen und dürfen nicht zu viel Hitze abbekommen. Sonst lösen sie sich auf und die fürs Bier nötige Bitterkeit geht verloren. Beim Hopfen kommt die bittere Note durch Alphasäuren ins Bier. Um diese zu aktivieren, ist Hitze nötig. Weil Hanf beim Brauen weniger Temperatur braucht, ist für den Prozess auch weniger Energie nötig. Gleich noch ein Vorteil.
Für die Bierherstellung verwenden die Forschenden Hanfblütenextrakt. «Wenn du mit Blüten arbeitest, macht da praktisch keine Brauerei mit. Das gäbe eine riesige Sauerei beim Brauen», erklärt Emanuel. Zudem machen bereits viele Brauereien ihr Bier mit Hopfenextrakt. Die Umstellung auf Hanf wäre für sie daher sehr einfach.
Dieses Jahr entsteht seit Beginn der Entwicklung des Business Case im Frühling 2024 die erste grosse Charge an bitter_nectar Hanfbier. 200-400 Liter soll es geben. Um genug Blüten für die weitere Erforschung zu haben, kommt Hanf von 3 Höfen zusammen. Abgesehen vom Juckerhof haben die Forschenden noch auf dem Landwirtschaftsbetrieb Rinderbrunnen in Grüt (ZH) und dem Glück-Hof in Baden eine Fläche. Eigentlich war ursprünglich nur ein Anbauort geplant, doch Emanuel und Co. konnten gleich mehrere Höfe für ihr Projekt begeistern.
Die Bewirtschaftung der jeweiligen Flächen teilten sie dann untereinander auf. Emanuel ist verantwortlich für den Juckerhof, Sandrine betreut die Pflanzen auf dem Rinderbrunnenhof während Ainaz und Marina abwechslungsweise zum Glück-Hof tuckern.
Gibt's bald Hanfbier im Hofresti?
Wer sich jetzt schon auf ein erfrischendes Hanfbier aus dem Hofrestaurant freut, muss sich noch gedulden. Wie Emanuel betont, sind Hanfblüten respektive deren Extrakt noch kein zugelassener Rohstoff für die Lebensmittelproduktion. Den Forschenden stehen noch einige Abklärungen und Analysen bevor. Schaffen sie es, dass ihr Bier von den nötigen Stellen durchgewunken wird, wollen sie das Projekt auf jeden Fall weiterverfolgen – wenn möglich auch bei uns auf dem Hof.
Das Projekt habe bereits bei einigen Brauereien Anklang gefunden. Die vier Forschenden machen sich auch bereits Gedanken, wie sie ihr Studienprojekt in eine Firma umwandeln können. Dafür werden aktuell noch Investor*innen gesucht.
Ich fänd’s super, wenn wir in Zukunft ein Hanfbier mit Jucker Hanf hätten.
Emanuel Hitz
Soll ihr Business Case Schweizweit oder gar global Anwendung finden, gilt es auch noch einige Punkte bez. Lieferkette und Ernte zu klären. Die Blüten von Hand zu ernten – mit Gartenschere und Ikea-Tasche – wie es die Forschenden aktuell tun, ginge dann nicht mehr. «In Zukunft muss das automatisiert sein mit einem Hochmäher, der die Blüten abschneidet», weiss Emanuel. Zudem müssen die Hanfblüten spätestens 24 Stunden nach der Ernte eigefroren werden. Ansonsten oxidieren sie und verlieren ihren Geschmack.
Apropos Supply Chain: «Ich fänd’s super, wenn wir in Zukunft ein Hanfbier mit Jucker Hanf hätten. In Uster gibt es direkt eine Brauerei. Das wäre dann wohl die kürzeste Supply Chain in der Bierkette», sagt Emanuel.
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