Zu Jucker Farm
von Valérie

Ist das noch ein «Hofladen»?

Was darf ein Hofladen verkaufen? Wo liegt die Grenze zwischen einem Hofladen und einem normalen Detailhändler? Das ist eine Frage, die wir uns selber immer wieder stellen und über die wir intern grosse Diskussionen führen.

Es ist nicht von der Hand zu weisen: Unsere Hofläden sind grösser und besser besucht als die meisten anderen, die man kennt. Unter einem Hofladen stellen sich die meisten Leute ein kleines Lädeli vor, welches - oft in Selbstbedienung - eine überschaubare Menge an Produkten verkauft. Es wird vor allem das verkauft, was auf dem eigenen Betrieb produziert wurde.

Das sieht bei uns etwas anders aus. Wir verkaufen auch Produkte, die wir nicht selbst produziert haben. Wie zum Beispiel Milch oder Käse und die meisten Fleischprodukte. Immer wieder sind auch diverse Gemüse in unseren Regalen, die wir selbst gar nicht in Produktion haben.

Zu Recht kann man sich fragen: Ist das noch ein Hofladen? Das ist eine Frage, die unter einem rechtlichen, aber auch unter einem ideellen Gesichtspunkt betrachtet werden kann. Starten wir mit der Beurteilung aus juristischer Sicht:

Mindestens 50% aus Eigenproduktion

Aus rechtlicher Sicht ist die zentrale Vorgabe eigentlich jene der Eidgenössischen Raumplanungsverordnung (RPV) vom 28. Juni 2000. Demgemäss gelten Hofläden als «zonenkonform», sofern folgende Bedingungen erfüllt sind:

  • Die Produkte in der Region UND zu mehr als der Hälfte auf dem Standortbetrieb oder in einer Produktionsgemeinschaft produziert wurden
  • die Aufbereitung, Lagerung oder Verkauf nicht «industriell-gewerblicher Art» ist und
  • der landwirtschaftliche oder gartenbauliche Charakter des Standortbetriebs gewahrt bleibt.

Die letzteren beiden Punkte sind sicher etwas schwammig formuliert. Deshalb haben wir unseren «Hausjuristen» Felix Jucker um seine Einschätzung gefragt:

«Meines Erachtens handelt es sich bei den Hofläden der Jucker Farm AG eindeutig um bewilligungsfähige und tatsächlich ja auch bereits bewilligte Hofläden. Zwar liegen diese flächen-, angebots- und umsatzmässig deutlich über dem Durchschnitt aller Hofläden in der Schweiz, doch auch der Anteil der selbst produzierten und verarbeiteten Erzeugnisse liegt überdurchschnittlich hoch.

«Mir ist kaum ein anderer Hofladen bekannt der einerseits eine derartige Vielfalt von Produkten anbietet und gleichzeitig über einen derart hohen Anteil selbst produzierten und verarbeiteten Produkte verfügt.»

Felix Jucker - juristischer Berater Jucker Farm AG

Auch was die Anordnung und baulichen Massnahmen für die Hofläden betrifft, befinden sich diese meines Erachtens ausnahmslos innerhalb der bestehenden oder für die Produktion neu erstellten landwirtschaftlichen Betriebsgebäuden», sagt er.

Strenggenommen ist es ohnehin so, dass sich nur der Spargelhof in Rafz und der Römerhof in Kloten in den Landwirtschaftszone befinden. Der Bächlihof liegt in der Erholungszone und der Juckerhof in einer ganz besonderen Situation: Halb Landwirtschafts- halb Kernzone und unterliegt zudem einem kantonalen Gestaltungsplan.

Eine Frage der Haltung

Doch unabhängig davon, was wir dürfen, gibt es ja noch die Frage, was man von einem Hofladen erwartet. Und das wird lustigerweise selbst von unseren Mitarbeiter*innen intern teilweise sehr unterschiedlich definiert.

Regina Büchi, stellvertretende Hofladenleiterin auf dem Römerhof in Kloten sieht es so wie wahrscheinlich die meisten von uns: «Grundsätzlich passen für mich alle Produkte in den Hoflanden, welche aus eigenem Anbau stammen oder ein Produkt enthalten vom eigenen Anbau. Als kritisch empfinde ich Produkte, die von Grossverteilern kommen und nicht direkt von kleinen regionalen Produzenten bezogen wird. Auch beim Gemüse bin ich der Meinung, dass nur saisonale Produkte in einen Hofladen gehören. Das Verständnis dafür, dass wir nicht über das ganze Jahr alle Sorten von Gemüse und Früchten zur Verfügung haben oder haben wollen, wächst stetig auf Seite der Kundinnen und Kunden.»

Kompromisse machen

Doch als Hofladenleiter*in hat man immer auch die Aufgabe, ein attraktives Angebot zur Verfügung zu stellen. Die Regale immer voll befüllt zu kriegen, kann während der Wintermonate eine grössere Herausforderung darstellen. Denn in einem Laden mit leeren Regalen geht niemand gerne einkaufen.

Ein bei uns intern heiss umstrittenes Thema ist beispielsweise die Anwesenheit von Zitronen in unseren Regalen: Für die Hardliner unter uns ein klares No-Go, für die Leute an der Front ein notwendiger Kompromiss. Auch aus juristischer Sicht ist die Zitrone in Hofläden ein etwas heikles Produkt – zumindest wenn sie wie oben definiert in der Landwirtschaftszone liegen. Um hier nochmal unseren «Hausjuristen» zu bemühen:

«Bei strenger Auslegung dieser Bestimmung (vgl. Art. 34 Abs. 2 lit. a eidgenössische Raumplanungsverordnung) dürften grundsätzlich keine importieren oder zumindest ausserhalb einer bestimmten Region produzierten Güter in einem Hofladen verkauft werden. Konkret dürften keine Zitronen aus Süditalien in euren Hofläden verkauft werden. In der Praxis wird und kann diese Bestimmung allerdings kaum derart präzise ausgelegt und umgesetzt. Zumal auch die Kontrolle und Durchsetzung schlichtweg nicht praktikabel wäre», merkt Felix Jucker an.

Was gehört alles in einen Hofladen?

...was hat da nichts verloren?

Eine Frage, die teils stark umstritten ist.

Doch er gibt zu bedenken, dass bei der Beurteilung das Gesamte angeschaut werden müsse: «Bei den Hofläden der Jucker Farm AG liegt der Anteil der in der Region produzierten Erzeugnisse jedenfalls bei annähernd 100 Prozent und auch der Anteil der auf den eigenen und auf den zu einer Produktionsgemeinschaft zusammengeschlossenen Betrieben erzeugten Produkte liegt näher bei 100 Prozent als bei 50. Insofern werden auch diese Voraussetzungen durch die Hofläden der Jucker Farm AG ohne Weiteres erfüllt.»

Was ist «regional»?

Einmal mehr sieht man: Es gibt auch hier nicht einfach schwarz und weiss. Und dann gibt es noch die Frage: Was gilt denn als regional? Denn wenn wir ehrlich sind, ist Europa ein relativ eng zusammengewürfelter Flickenteppich und die nächste Grenze nur ein Steinwurf entfernt. In Amerika erstrecken sich ganze Bundesstaaten vom italienischen Stiefel bis hoch zur Nordsee. Was dort als «eine Region» gilt, ist bei uns ein halber Kontinent. So gesehen sind Zitronen aus Norditalien vielleicht doch regional genug…

Unsere Hofladenteams haben sich in den letzten Monaten intensiv mit dieser Frage beschäftigt: Was ist regional genug? Was soll und kann in unseren Hofläden Platz haben? Was für ein Hofladen wollen wir sein? Was ist unsere Überzeugung?

In einem Workshop Ende Juni haben sie einige erste Grundsätze definiert, nach denen sich das Sortiment in unseren Hofläden künftig orientieren soll:

  • Eigenproduktion hat immer Vorrang vor Fremdprodukten. Theoretisches Ziel: 100% Eigenproduktion. Theoretisch deshalb, weil das in der Praxis wohl nie zu hundert Prozent erreicht werden kann.
  • 70 % der im Hofladen verkauften Produkte sollen aus Eigenproduktion stammen.
  • Von den restlichen 30 % sollen min. 20 % aus der Region stammen.
  • «Aus der Region» definieren wir mit einem 30 km Radius um einen unserer Höfe.
  • Die restlichen 10% müssen aus der Schweiz stammen und dürfen nur im Notfall (Ernteausfall oder grundsätzliche Nicht-Verfügbarkeit) zugekauft werden.
  • Wenn Import, dann nur aus Europa.
  • Zugekaufte Produkte müssen unseren Anforderungen in der Produktion entsprechen.

Diese Punkte sind vorerst einfach mal eine Arbeitsbasis. Längst nicht alle Hofläden handhaben das gleich und es wird auch nicht von heute auf morgen zu 100% so umgesetzt werden können. Es ist eine Stossrichtung, die wir definiert haben.

Teilweise ist das Angebot historisch gewachsen – hier einfach umzustellen ist nicht immer ganz einfach. Denn unsere Kunden sind sich ein gewisses Angebot gewöhnt und kommen extra deswegen zu uns einkaufen. Diese möchten wir ungern vor den Kopf stossen.

Wir bleiben aber dran, auch weil es uns wichtig ist, authentisch zu bleiben.

Und jetzt würde uns eure Meinung interessieren:

Wie würdet ihr einen Hofladen bezüglich Sortiment definieren? Was gehört in einen Hofladen? Was habt ihr vielleicht bei uns schon mal gesehen, gehört aber eurer Meinung nach nicht dazu? Und wärt ihr bereit, auf gewisse Produkte zu verzichten zugunsten eines «authentischeren» Sortiments?

Die Diskussion ist eröffnet 😉:

Valérie ist Vollblutautorin des FarmTickers und immer zur Stelle wenn's "brennt". Sie mag schöne Texte und offene Worte. (Zum Portrait).

Beiträge von Valérie
Ein Kommentar zu “Ist das noch ein «Hofladen»?”
    Peter Zolliger

    Ich finde es super, dass ihr euch diesen Fragen stellt. Es ist wichtig ehrlich zu sein, und die Bezeichnung Hofladen nicht als "reine" Werbung zu missbrauchen, wie Grossverteiler mit "aus der Region für die Region".
    Macht weiter so, Gruss pezo

    Antworten

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