Zu Jucker Farm
von Valérie

Sind wir «zu teuer»?

In den letzten Monaten haben sich Rückmeldungen von Kundenseite über unsere hohen Preise gehäuft. Für viele Leute sind die Preise einiger unserer Produkte nicht mehr nachvollziehbar. Das können wir verstehen. Trotzdem gibt es dafür gute Gründe.

Die Sache ist etwas komplexer (wie könnte es auch anders sein). Um einen Einblick zu bekommen, sollt ihr erfahren, wie die Jucker Farm gestrickt ist. Damit man besser versteht, warum unser Müsli, unser Popcorn oder der Brunch bei uns mehr kostet als anderswo.

«Wir sind teuer! Und zwar nicht nur für unsere Kund*innen, sondern auch wir als Firma sind teuer.»

Ich habe mit diversen Leuten in unserem Unternehmen gesprochen und mich an die Thematik herangetastet. Denn – was erstaunt: Trotz unserer hohen Preise haben wir in den letzten Jahren keinen Gewinn gemacht. Wie kann das sein?

Kurze Antwort: Wir sind teuer! Und zwar nicht nur für euch als Kund*innen, sondern auch wir als Firma sind teuer. Mit unserem ganzen Konzept und wie wir aufgestellt sind. Ob wir auch ZU teuer sind, das können wir am Ende des Artikels vielleicht besser beantworten. Denn wir sind aus Überzeugung so aufgestellt. Weil es uns wichtig ist, Verantwortung wahrzunehmen.

Kommen wir zum Kern der Sache:

Was uns teuer macht:

Dröseln wir das Ganze mal etwas auf. Es gibt nämlich gleich mehrere Gründe, die uns teurer machen:

1.  Wir machen viel:

Vielleicht zu viel. Wir sind in vielen verschiedenen Geschäftsbereichen tätig. Wir haben nicht nur 4 Hofläden, sondern auch noch eine Hofmanufaktur, 2 Hofrestaurants, 4 Landwirtschaftsbetriebe und zwei Höfe, auf denen wir Anlässe und Seminare für Firmen aber auch Privatpersonen veranstalten.

All diese Bereiche benötigen eine eigene Infrastruktur, eigenes Personal etc. Die Produktion braucht (teure) Traktoren, der Eventbereich braucht gute Beamer, die Hofmanufaktur teure Maschinen und wir verwenden – für alles was wir produzieren – teure Rohstoffe, da wir sie möglichst selbst und neuerdings auch noch möglichst regenerativ herstellen möchten.

In jedem einzelnen Bereich konkurrieren wir dabei mit Unternehmen, die in diesem Bereich spezialisiert sind bzw. ausschliesslich DAS machen.

Schauen wir uns als Beispiel die Brotproduktion an: Grossbäckereien, die Grossverteiler mit Broten und Backwaren beliefern machen AUSSCHLIESSLICH das: Brote und Backwaren. Der Zopfstrang wird von der Maschine produziert, pro Minute fahren X Zöpfe gleichzeitig unter einer «Ei-Dusche» durch.

Zum Vergleich: Bei uns werden alle Stränge von Hand ausgerollt, jeder Zopf von Hand mit Ei bepinselt und wir verwenden hochwertige Zutaten, wenn möglich aus der Region. Eine Grossbäckerei kann mehrere Tausend Zöpfe täglich produzieren. Bei uns sind es an Spitzentagen ein paar Hundert, im Winter sind es auch mal nur 30 Stück. Logisch also, dass eine Grossbäckerei ihre Zöpfe günstiger verkaufen kann als wir. Denn bei uns muss das Geld, das uns die Produktion gekostet hat und das wir wieder reinholen müssen, auf weniger Zöpfe verteilt werden. Mit dem Dilemma stehen wir übrigens nicht alleine da. Das kennen alle kleineren Dorfbäckereien.

Natürlich könnten wir die Zöpfe von einer Grossbäckerei zukaufen und für Detailhandelspreise verkaufen. Aber das wäre nicht authentisch.

«Wir sind zu gross um alles von Hand zu machen, aber zu klein um die nötigen Investitionen für unsere Grösse zu tragen».

Alle weiteren Argumente haben wir hier etwas kompakter dargestellt, damit der Artikel nicht zu lang wird. Klappt einfach die auf, die euch interessieren:

  • 2. Wir sind (zu) klein:

    Auch wenn eine Menge von 3000 Flaschen Haferdrink pro Charge nach viel klingt: Andere Produzenten produzieren ein Vielfaches und setzen ganz andere Mengen um. Die Maschine, die es dafür braucht, kostet aber immer gleich viel – und sie ist teuer! Den Preis für unseren Haferdrink müssen wir entsprechend so gestalten, dass wir diese Maschine innerhalb ihrer Lebensdauer noch amortisieren können – idealerweise natürlich etwas früher.

    Zudem haben wir als Betrieb eine schwierige Grösse erreicht. Wir sind nicht mehr klein genug, um alles von Hand zu machen, sondern mussten Investitionen tätigen, um als Unternehmen überhaupt weiter funktionieren zu können. Es braucht einen gewissen Verwaltungsapparat, eine gewisse Infrastruktur: Z.B. ein ERP, eine anständige Lohnbuchhaltung, eine Selfscanning-Einrichtung in den Hofläden etc. Hier haben wir eine neue Stufe genommen. All das war und ist teuer.

    In einem Hofladen der Jucker Farm liegen die Personalkosten zwischen 15% und 20% des Umsatzes. Bei anderen Detailhändlern liegen die eher unter 10%. Dieser Anteil ist bei uns höher, weil wir eine relativ kleine Verkaufsfläche haben. Zudem ist der Umsatz pro Kunde bei uns kleiner – die Leute erledigen in der Regel nicht ihren Wocheneinkauf bei uns, sondern kaufen einzelne Produkte ein.

    Ein Detailhändler kann viel grösser skaliert produzieren und ist deshalb viel rentabler. Ein kleinerer Bauernbetrieb, der alles von Hand macht, benötigt wiederum kaum Infrastruktur und hat tiefere Fixkosten. Wir liegen irgendwo dazwischen. Aber die Mengen, die wir verkaufen, sind trotzdem (noch) nicht ausreichend, um das zu kompensieren.

  • 3. Wir leisten uns teure Produktionsprozesse:

    Wir sind ein Bauernhof und wollen alles selber machen. Es ist ein teures Credo, das wir uns leisten, aber es gehört zu unserer DNS. Es gibt viele Produkte, die wir nach wie vor sehr aufwändig selbst produzieren. Das Popcorn, z.B. wird von Hand abgefüllt. Wir leisten uns eine Postkarten-Idylle, die eigentlich kaum mehr finanzierbar ist. Wir feuern beispielsweise auf allen Höfen separat einen Ofen an, weil es uns wichtig ist, dass das in der HofBäckerei in Seegräben produzierte Brot frisch vor Ort aufgebacken wird.

    Wir stellen Dinge selber her, die bei einem externen Produzenten viel günstiger hergestellt werden könnten. Allerdings ginge das wieder auf Kosten der Authentizität und der Frische. Das wollen wir nicht.

    Diesen Anspruch durchzuziehen ist eine Gratwanderung. Es gibt viele Produkte, die wir ohnehin nicht selbst herstellen können, da wir die Infrastruktur dazu nicht haben. Zum Beispiel das Jucker-Glacé, die Tortilla-Chips oder HofBier. Da muss jeweils mit den Produzenten geschaut werden, dass sie wirklich unsere Rohstoffe verwenden und nicht einfach einen Teil der Menge, die sie ohnehin produzieren, für uns abfüllen. Auch wieder etwas, was die Sache teurer macht – vor allem, weil wir nicht so grosse Mengen bestellen. Zudem haben wir den Anspruch, dass diese Partner ähnliche Werte vertreten und Qualitätskriterien erfüllen, die unseren ähnlich sind. Das führt dazu, dass auch diese Produkte in einem eher höheren Preissegment angesiedelt sind.

  • 4. Teure Rohstoffe

    Die Rohstoffe, die wir verwenden sind schon teurer, wenn sie vom Feld kommen. Erstens produzieren wir bei den meisten Produkten kleinere Mengen. Zweitens verfolgen wir eine nachhaltige und verantwortungsvolle Produktionsweise. Diese ist – insbesondere seit der Umstellung auf die regenerative Landwirtschaft – nochmal teurer geworden.

    Zur Illustration ein Beispiel: Anstelle von Kunstdünger arbeiten wir zunehmend mit Terra Preta. Schlussendlich ist diese in der Herstellung und Ausbringung fast doppelt so teuer wie Kunstdünger. Dies ist eine Investition, die wir für die Zukunft tätigen. Der Boden wird aufgebaut, die Bodengesundheit verbessert und damit hoffentlich auch der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduziert. Diesen Mehrwert können wir aber kurzfristig nicht beziffern und damit wir trotzdem operativ handlungsfähig bleiben, müssen unsere Kund*innen diese Mehrkosten durch etwas höhere Preise mittragen.

    Zudem: Wer ökologischer produziert, muss in Kauf nehmen, dass ein Teil der Ernte den Schädlingen zum Opfer fällt. Die vielfältige Produktion kommt zwar der Biodiversität zugute, beeinträchtigt jedoch allfällige Skaleneffekte in der Produktion: Man produziert auf kleinerer Fläche verschiedene Dinge. Das geht auf Kosten der Effizienz.

  • 5. Wir haben eine (zu) hohe Innovationsfrequenz:

    Unser Unternehmen hat sich – insbesondere in den letzten Jahren sehr rasch entwickelt und neue Innovationen geschaffen, die immer neue Investitionen zur Folge hatten. Und das in einem hohen Tempo. Das ist so hoch, dass wir oft neue Investitionen oder Weiterentwicklungen tätigen, bevor wir die alten überhaupt amortisiert haben. Wir hinken mit der Finanzierung immer etwas hinterher. Natürlich kommt – insbesondere während der Kürbissaison – viel Geld rein. Aber wir geben halt eben auch viel Geld aus, um die Jucker Farm weiterzuentwickeln. Und das tun wir wahrscheinlich schneller als viele andere Unternehmen.

  • 6. Wir haben einen Standortnachteil:

    Wir sind auf dem Land. Und das ist ein nicht zu unterschätzender Nachteil. In Zürich sind abends auch durchschnittlich tolle Restaurants einfach voll. Weil sie bequem erreichbar sind. In der Stadt reicht es, «gut genug» zu sein. Auf dem Land ist das anders. Um unsere Höfe zu erreichen, muss man von der Stadt schon etwas Weg in Kauf nehmen, was mit dem ÖV – besonders jetzt im Winter – einfach Zeit braucht. Wenige Leute tun das.

    Unser Angebot muss deshalb überdurchschnittlich attraktiv sein, um ausreichend viele Besucher anzuziehen. Entsprechend müssen wir hier auch mehr investieren. Der schöne, mit Altholz ausgekleidete Hofladen in Seegräben dürfte pro m2 mehr gekostet haben, als die Inneneinrichtung im Billig-Discounter. Da gibt’s Standard-Fliesen auf dem Boden und Metall-Gestelle. Fertig.

    Ein schöner Hofladen allein reicht aber nicht. Es muss ein Restaurant her und generell eine nette Umgebung, in der man sich wohlfühlt. Dieses «nette Ambiente» zu schaffen, kostet Geld. Zudem haben wir bei Unterhalt und Gestaltung grosse Flächen zu bewältigen – wir sind ein Bauernhof mit Umschwung. Der Unterhalt des Juckerhofs mit den ganzen Pflegearbeiten (Rasenmähen, Platz wischen, Strohburg auffüllen, Dekoration etc. kostet mehrere Zehntausend Franken im Jahr – Kürbisausstellung nicht miteingerechnet.

  • 7. Wir haben einen Saisonbetrieb:

    Streng genommen müssten wir während 2 Monaten (Jan/Feb) den Betrieb komplett schliessen, da wir während dieser Zeit eher Geld drauflegen, wenn wir die Höfe offen behalten. Ausser zum Brunch am Sonntag kommen nur wenige Leute vorbei. Trotzdem haben wir während der kalten Monate geöffnet. Auch, weil wir unsere Mitarbeitenden im Betrieb halten wollen, weil die Landwirtschaft ohnehin weiterläuft und wir Lieferantenbeziehungen zu Detailhändlern pflegen.

    In der Kürbiszeit ist das anders, da «räblets» und es entsteht der Eindruck, wir müssten ja Massen von Geld machen. Stimmt auch. Aber eben nur während dieser 2 Monate im Jahr. Ansonsten fliegen wir viel tiefer. Die Preise sind auch deshalb höher, weil wir defizitäre Monate querfinanzieren müssen.

  • 8. Gratis Kürbisausstellung:

    Apropos Kürbisausstellung: Wir lassen für 2 bis 3 Höfe einen Künstler jeweils während mehrerer Monate 10-15 neue Kürbisskulpturen entwickeln und konstruieren. Jede einzelne dieser Figuren kostet mehrere Tausend Franken. Für die Kürbisausstellung verlangen wir aber nach wie vor keinen Eintritt.

    Klar: Sie sind auch DER Publikumsmagnet, ohne den im Herbst nicht gleich viele Leute unsere Höfe besuchen würden. Andere Ausflugsziele mit ähnlichem finanziellen Aufwand verlangen Eintritt. Die Diskussion über Eintrittsgelder kommt aber intern immer mal wieder auf den Tisch.

Die Moral von der Geschicht’

Die Antwort auf die eingangs gestellte Frage lautet: Ja, du zahlst für den Kürbis, den du bei uns kaufst vielleicht «zu» viel - wenn du nur den Kürbis betrachtest.

Aber du zahlst eben auch den ganzen restlichen Betrieb, die Vision der Jucker Farm mit, die heute so ist, wie sie ist: Mit den schönen Hofläden, der lässigen Kürbisausstellung, dem Anspruch, den Hafer möglichst selbst und pestizidfrei zu produzieren, das Brot frisch zu backen, auch wenn nur 5 Leute am Tag ein Brot kaufen. DAS ist das, was uns so teuer macht – aber eben vielleicht auch der Grund ist, warum sich viele Leute bei uns so wohl fühlen und den Jucker so sympathisch finden.

Klar: Nicht jede*r kann oder will das bezahlen. Fair enough. Jedem ist selbst überlassen, den Kürbis zu kaufen oder liegenzulassen. Oder ihn zu teuer zu finden. Das ist ok. Und wir verstehen den Frust, wenn man ihn sich nicht leisten kann. Aber so sind wir nun mal aufgestellt. Betriebe, bei denen man das alles günstiger kriegt, gibt’s ja auch.

Was wir euch aber versprechen können: Das Geld fliesst nicht einfach in eine fette Villa oder eine teure Karre für unsere Firmenchefs. Das eingenommene Geld wird in einen Gegenwert umgewandelt. Vielleicht tragen die 2 Franken, die du für unseren Kürbis mehr zahlst, dazu bei, unser Getreide weiterhin regenerativ anbauen zu können. Oder sie werden investiert darin, Schafe in unseren Obstanlagen weiden zu lassen, statt einmal alles mit Herbizid totzuspritzen. Und dank diesen 2 Franken können wir darauf verzichten, sie zu schlachten, um trotzdem rentabel zu bleiben.

Darum geht’s.

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Ja, wir sind teuer. Aber sind wir wirklich ZU teuer? Haut rein in die Tasten, die Diskussion ist eröffnet:

Valérie ist Vollblutautorin des FarmTickers und immer zur Stelle wenn's "brennt". Sie mag schöne Texte und offene Worte. (Zum Portrait).

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