Zu Jucker Farm
von Valérie

1 Jahr regenerativ – die Bilanz

Vor einem Jahr haben wir offiziell verkündet, dass wir unser Betriebskonzept in der Landwirtschaft längerfristig auf regenerativ ausrichten wollen. Auf allen drei Höfen haben wir uns für die Produktion diverse Ziele gesetzt. Welche davon konnten wir erreichen? Wo sind wir gescheitert? Und welche Lehren ziehen wir aus dem ersten Jahr regenerativ?

Ich habe mit den verschiedenen Produktionsleiter*innen auf den Höfen geredet. Jede*r von ihnen hatte einen anderen Schwerpunkt und andere Ideen, wie sie das Prinzip regenerativ bei sich am besten umsetzen wollen.

Frust lass nach

Um es gleich vorneweg zu sagen: Der Start verlief harzig. Es war beileibe kein einfaches Jahr. Wir hatten uns viel vorgenommen und einiges davon umgesetzt, aber – und das zieht sich durch alle Produktionsbereiche und Standorte – das Wetter hat die ersten Schritte in unserem Experiment ganz klar noch schwieriger gemacht, als sie ohnehin schon waren.

Am grandiosesten gescheitert sind wir bei der Unkraut- und Krankheitskontrolle. Das Wetter letztes Jahr war – wir haben es genügend oft beschrieben – so nass wie kein anderes. Und Nässe bedeutet auch immer, dass der Krankheitsdruck – insbesondere mit Pilzkrankheiten – ungleich grösser ist als in «normalen» Jahren. «Durch das nasse Wetter war der Unkrautdruck auf dem Römerhof in Kloten sehr hoch», erzählt Walter Pfister, der dort für die Blumen-Selberpflückanlage zuständig ist.

Regenerativ heisst zum Beispiel: Blühstreifen zur Förderung der Biodiversität in Seegräben...

Hühner zur Schädlingsbekämpfung mit mobilem Stallsystem in Jona...

...und deren Eier wir verkaufen...

Schweinchen Trio

...zusammen mit unseren 3 Schweinchen Maggie, Charly und Roxy...

Komposttee Überwachung Piotr

Regenerativ heisst auch: Herstellung von Komposttee in Rafz...

Unsere Schafe im Obstbau in Seegräben...

Terra Preta Hügel

Terra Preta als langfristige Bodenaufwertung auf diversen Höfen...

...und diverse Nisthilfen und weitere Biodiversitätsmassnahmen auf all unseren Höfen..

Auch auf dem Bächlihof war der Start von Turbulenzen begleitet, sagt Stefan Bächli: «Die Einsaaten zwischen den Reihen sind nicht zufriedenstellend gelungen. Schlussendlich ist leider nur das gewachsen, was vorher schon da war.»

In Seegräben hatte auch Petra Hager mit Startschwierigkeiten zu kämpfen: «So eine Umstellung kommt einfach nicht gratis. Dafür braucht es Manpower, denn der Aufwand ist um ein Vielfaches höher. Einen Teil davon könnte man mit den richtigen Maschinen kompensieren, aber auch da hat es gehapert mit der Verfügbarkeit.

«So eine Umstellung kommt einfach nicht gratis. Dafür braucht es Manpower, denn der Aufwand ist um ein Vielfaches höher.»

Petra Hager, Produktionsleiterin in Seegräben

Sven Studer, der momentan den besten Überblick in Rafz hat, bilanziert: «Es war sehr durchzogen. Im Gemüse und bei den Beeren sind wir noch nicht wirklich regenerativ unterwegs (…) Wir haben zwar massiv Pestizide eingespart, was aber zu grossen Problemen – vor allem mit Pilzen und entsprechend schlechter Qualität unserer Ernte geführt hat. Hier braucht es für die kommenden Jahre eine gute Strategie». Denn die Produkte, die in Rafz angebaut werden, werden auch in den Handel geliefert, wo eine gewisse Qualität einfach gefordert wird.

 

Regenerativ heisst: Höherer Arbeitsaufwand

Eine zweite Herausforderung war die Tierhaltung. Auf dem Bächlihof kam Vogelgrippe mit Stallpflicht für die Hühner, was das eigens für die regenerative Landwirtschaft entwickelte Haltesystem mit viel Auslauf in mobilen Ställen in Frage stellte. Die Eier verkauften sich nicht gut. Die anfängliche Euphorie über die neuen Ideen wurde im ersten Jahr schon etwas gedämpft. Auch Petra Hager findet: «Die Tiere in den Arbeitsalltag zu integrieren, ist nicht ohne. Vor allem mit ohnehin schon begrenzten personellen Ressourcen. Man hat einfach eine 7-Tage-Woche. Die Schafe leisten sicher ihren Beitrag. Aber rechnen tut sich das trotzdem nicht. Da hilft es auch nicht, dass sie herzig sind.»

Uff…

Aber trotz aller Ernüchterung: Es gab auch einiges, was gut geklappt hat:

«Durch den Einsatz der Terra Preta konnten wir ca. 40% Dünger einsparen.»

Sven Studer, Spargelhof

Lichtblicke – was hat gut funktioniert?

Gute Erfahrungen hat man vor allem im Bereich der Düngung gemacht. «Durch das Zuführen von Mist und Kompost und der daraus hergestellten Terra Preta konnten wir ca. 40% Dünger einsparen», sagt Sven Studer vom Spargelhof. Auch Petra Hager erwähnt den Einsatz von Terra Preta bei den Jungbäumen und von Brennesselgülle als positiv.

Viel investiert hat man auch im Bereich der Biodiversität und ist dadurch teilweise ohne Pestizide ausgekommen. «Ich konnte auch im zweiten Jahr beweisen, dass es ohne Insektizideinsatz gelingt, Obstbau zu betreiben», sagt Stefan Bächli vom Bächlihof in Jona. Zudem hat Bächli verschiedene Hochstammbäume gepflanzt, Vogelhäuschen und Fledermausunterkünfte installiert, die Ökowiesen mit blumenreichem Saatgut aufgewertet. Die vielen Biodiversitätsmassnahmen brauchen aber auch Zeit, bis sie wirklich einen Effekt haben. Aber hier ist man sehr zuversichtlich.

 

Ausblick: Terra Preta for the win

Trotz aller Widrigkeiten: Die Produktionsleiter wollen den Bettel nicht bereits wieder hinwerfen. Zudem herrscht die Hoffnung vor, dass das Wetter nicht mehr ganz so ungnädig ist, wie im vergangenen Jahr. Vor diesem Hintergrund sind es doch einige Vorhaben, die dieses Jahr auf dem Weg zur regenerativen Landwirtschaft umgesetzt werden wollen: «Wir werden noch mehr auf Terra Preta setzen, ich sehe da grosses Potenzial», sagt Sven Studer, «die gesamten Kichererbsen werden wir nur mit Terra Preta düngen. Auch beim Kürbis werden wir mit Terra Preta arbeiten. Sämtliches Getreide wollen wir pestizidfrei anbauen». Bei den Beeren und beim Gemüse hingegen will Studer keine riskanten Experimente machen.

«Wir werden noch mehr auf Terra Preta setzen, ich sehe da grosses Potenzial.»

Sven Studer, Spargelhof

Auch Stefan Bächli will auf dem Bächlihof mit Terra Preta arbeiten. Zudem will er erreichen, dass die Einsaaten besser funktionieren und Trockensteinmauern als zusätzliches Objekt in den Nützlingsstreifen anbringen. Auch Petra Hager möchte dieses Jahr wieder komplett ohne Kunstdünger auskommen und mit Terra Preta und Brennesselgülle arbeiten. Genauso wie Walter Pfister, der neben noch mehr Biodiversität in den Blumenfeldern auf dem Römerhof komplett auf Kunstdünger verzichten, den Herbizideinsatz reduzieren und dafür ebenfalls auf Terra Preta setzen möchte.

 

Fazit: Aller Anfang ist schwer

Der Start ist schwierig, etwas Neues auszuprobieren auch. Auch wenn das Wetter mitgemacht hätte, wären wir wohl an Grenzen gestossen. Wie wir bereits vor einem Jahr gesagt haben: So eine Umstellung auf regenerativ geht nicht von heute auf morgen. Es ist ein Weg, den wir beschreiten. Erste Schritte sind getan, wir haben das Ziel immer noch im Fokus und machen weiter, auch wenn wir uns die Zehen ordentlich gestossen haben. Vor allem aber kostet so eine Umstellung vor allem am Anfang auch Geld. Ohne Zeit, zusätzliche Arbeitskräfte und Investitionen in eine bestimmte Infrastruktur wird es schwierig.

Valérie ist Vollblutautorin des FarmTickers und immer zur Stelle wenn's "brennt". Sie mag schöne Texte und offene Worte. (Zum Portrait).

Beiträge von Valérie
2 Kommentare zu “1 Jahr regenerativ – die Bilanz”
    Christian Hennig

    Vielen Dank für Euren ehrlichen Bericht - aber vor allem für Euren Entschluss, auf regenerativ umzustellen. Solche und ähnliche Berichte haben mich vor 1,5 Jahren bewogen, mit permarobotics anzufangen. Denn ich habe auch gesehen, dass die skalierbare Umstellung auf regeneratives Wirtschaften ohne die "richtigen" Maschinen nicht gelingen kann, da der Ertrag dann zu niedrig ist, um die Ernährungssicherheit zu gewährleisten. Außerdem herrscht ein zunehmender Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, der nicht wirklich kompensierbar ist. Aber was wären die "richtigen" Maschinen? Wollen wir uns einmal darüber austauschen, wir würden gern aus Euren Erfahrungen lernen und unsere Erfahrungen mit Euch teilen!

    Antworten
    Nadine Gloor

    Lieber Christian, danke vielmals für deinen Kommentar. Gerne leite ich diese Info bei uns an die entsprechenden Stellen weiter - falls Interesse besteht, werden wir uns melden!

    Antworten

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