Zu Jucker Farm
Weidegans in der Gruppe
von Valérie

Die Weidegans – ein Nischenprodukt

Macht ihr euch auch schon Gedanken darüber, was an Weihnachten auf den Tisch kommt? Eine Weihnachtsgans vielleicht? Die Tradition der Weihnachtsgans ist in der Schweiz noch nicht allzu verbreitet. Dennoch ist es ein Markt. Deshalb zogen im Jahr 2015 die ersten Weidegänse bei uns auf dem Spargelhof in Rafz ein. Es war ein Versuch, der sich bewährte, so dass wir seither jeden Sommer eine neue Herde bei uns beherbergen. Gestartet haben wir 2015 mit 250 Tieren, heute umfasst unsere Herde 500 Tiere.

Stabile Nachfrage – guter Onlineverkauf

Die Nachfrage ist langsam aber stetig etwas gestiegen. Wir haben immer in etwa das verkauft, was produziert wurde. Walter Pfister vom Spargelhof in Rafz sagt: «Wahrscheinlich könnten wir noch etwas mehr verkaufen. Aufgrund der Anforderungen an Stall und Flächen sind unsere Kapazitäten aktuell aber ausgeschöpft.» Der Nachfrage zuträglich sind auch die Eröffnung des Ladens auf dem Römerhof sowie der stärkere Verkauf via juckershop.ch. Geschätzt 30-40% der Gänse werden heuer online verkauft.

Stammkunden aus Deutschland

Alle unsere Gänse werden an Privatkunden verkauft. «Für Gastronomiebetriebe sind unsere Preise zu hoch», sagt Walter Pfister. 80% der Gänse werden auf Weihnachten hin bestellt, nur 10% werden per 11.11. als Martinsgans verkauft. Die restlichen 10% werden zwischen November und Dezember verkauft und in privaten Tiefkühlern wohl bis zum Weihnachtsfest gelagert.

Über die Jahre hat sich eine kleine, aber feine Stammkunden-Gruppe aufgebaut. Unter den regelmässigen Bestellern sind viele Deutsche, die auf dem Spargelhof in Rafz praktisch direkt nebenan wohnen. Oder Gäste aus unseren östlichen Nachbarländern, bei denen zu Weihnachten traditionell eine Gans im Ofen landet.

Kehrseite: Knappe Rentabilität

Das klingt alles gut. Doch es gab immer mal wieder Zweifel, an dem Projekt festzuhalten. Denn die Rentabiliät sei knapp und gerade für den Gastrobereich nicht gegeben, so Pfister. Zudem meint er: «Eigentlich sind wir ja ein Obst- und Gemüseproduzent und die Tierhaltung steht konzeptionell etwas quer drin bei uns. Wenn ich nicht daran festhalten würde, hätten wir wohl keine Weidegänse mehr.»

Aus dem Weidegansfleisch wurden letztes Jahr in der HofManufaktur versuchsweise auch Spezialitäten wie Ravioli oder Würste hergestellt. Doch Pfister ahnte es damals schon: «Alles, was zerlegt oder verarbeitet wird, ist bei der Weidegans zu teuer. Rentabel ist nur der Verkauf als ganze Gans. Also für einen Braten aus dem Ofen.» Die verarbeiteten Produkte waren zwar eine schöne Ergänzung für die Hofläden, aber schlussendlich hat man dabei sogar noch draufgelegt. Deshalb hat man sich dieses Jahr dazu entschlossen, diese Produkte nicht mehr anzubieten.

Die Gänse in ihrer Urform sind aber weiterhin verfügbar.

Weidegans zu Weihnachten

Am beliebtesten ist immer noch der klassische Gänsebraten zu Weihnachten.

Weidegänse Weide

Die Weidegänse haben den ganzen Sommer im Freiland verbracht.

Gänsehaltung als absolutes Nischenprodukt

Die gewerbliche Gänsehaltung und im Speziellen die Haltung von Weidegänsen ist ein absolutes Nischenprodukt, der vorhandene Markt nur sehr klein. Entsprechend anspruchsvoll gestaltet sich die Vermarktung.

In den letzten Jahren ist die gesamte Geflügelhaltung in der Schweiz kontinuierlich gewachsen. Von rund 68'000 Tonnen im Jahr 2010 auf fast 99'000 Tonen im Jahr 2018 (Quelle: BFS)

102'000 Tonnen Geflügelfleisch werden jährlich in der Schweiz konsumiert, das sind rund 14 kg pro Kopf. Bei der Annahme, dass ein Poulet ca. 1 kg auf die Waage bringt, wären das rund 102 Mio. Poulets. Rund 64 % des in der Schweiz konsumierten Geflügelfleisches wird durch Inlandproduktion gedeckt (Quelle: Aviforum.ch).

Davon ist nur ein kleiner Teil Gänsefleisch. Gemäss Agristat bewegt sich die Menge der in der Schweiz gehaltenen Gänse in den letzten Jahren relativ konstant zwischen 2000 und 3000 Tieren. Ein Ausreisser nach oben ist das Jahr 2014 mit 3617 gehaltenen Gänsen. Über die Art der Haltung und Nutzung sind bei Agristat aber keine Informationen bekannt. Ein Teil hiervon könnten auch privat gehaltene Gänse sein.

Ein wesentlicher Teil der hierzulande konsumierten Gänse wird immer noch im Ausland produziert. Gleichwohl ist der Anteil an Importgänsen stetig gesunken. Gemäss einem Bericht der Bauernzeitung vom 8. Februar 2019 sank die Menge des importierten, gekühlten Gänsefleischs von 22,4 Tonnen im Jahr 2010 auf 11,6 Tonnen im Jahr 2018, jener von gefrorenen Gänsen um 3 Tonnen auf 15,6 Tonnen im Jahr 2018 (Bauernzeitung 8. Feb 2019).

Schwierige Vermarktung von Weidegänsen

Gemäss Astrid Spiri vom Verein weidegans.ch, der sich seit 2013 für die Vermarktung und Haltung von Gänsen im Freiland einsetzt, hat die Anzahl der Weidegänse in den letzten Jahren stetig abgenommen.

Während bei Vereinsmitgliedern von weidegans.ch 2015 noch rund 2800 Tiere eingestallt waren, waren es 2018 noch rund 1400 und 2019 nur noch gerade 1000 Tiere. Das liege daran, dass sich die Vermarktung schwierig gestalte. Viele Mitglieder des Vereins seien Direktvermarkter und die Gänsetradition habe sich in der Schweiz bisher nicht durchgesetzt, sagt Astrid Spiri: „Bei den Schweizern ist diese Kultur „noch“ nicht angekommen. Viele von diesen Kunden versuchen einmal eine Gans, kaufen diese jedoch nicht jedes Jahr. Was die Vermarktung schwieriger macht, da so jedes Jahr wieder einen grossen Teil von neuen Kunden akquiriert werden muss und die Produzenten nicht auf einen festen Kundenstamm zurückgreifen können.“

Und Weidegänse sind teuer als Truthähne, die als Weihnachtsbraten erst noch bekannter sind. Gemäss einem Bericht des Schweizer Bauers wurden 2015 20 mal weniger Weidegänse als Truthähne verkauft, der Preis bei Weidegänsen ist im Schnitt doppelt so hoch (Schweizer Bauer online).

Wer sich aber zu Weihnachten etwas Spezielles gönnen möchte und Wert auf eine tierfreundliche Haltung legt, bezahlt auch mal mehr: «Unsere Stammkunden kaufen bei uns ein, weil sie Wert darauf legen, dass die Gänse von hier sind und auf der Weide gehalten wurden», sagt Gabi Faude vom Römerhof in Kloten.

Valérie war Vollblutautorin des FarmTickers (bis Juni 2024) und immer zur Stelle wenn's "brennt". Sie mag schöne Texte und offene Worte. (Zum Portrait).

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