Zu Jucker Farm
Zuckerwürfel
von Valérie

Die Sache mit dem Zucker

Die Zuckerproduktion in der Schweiz bewegt sich in einem Spannungsfeld. Denn der Anbau von Zucker in unserem Land stellt unheimlich viele Anforderungen an die Produzenten wie auch an die Verarbeiter. Die Gründe sind vielfältig.

Seit Jahren sinkt die Anzahl der Zuckerrübenproduzenten in der Schweiz. Während im Jahr 1999 noch gut 7000 Betriebe Zuckerrüben anbauten, sank die Anzahl der Produzenten auf rund 3952 Betriebe im Jahr 2022, die Tendenz ist weiter sinkend (Quelle: Schweizer Zucker AG)

Die Kosten der Zuckerrübenproduktion sind in der Schweiz mehr als doppelt so hoch wie im Ausland. Der Preis, den man auf dem Markt für Zucker erhält, bewegt aber ungefähr auf einem ähnlichen Niveau.

Noch hat die Schweiz einen Selbstdeckungsgrad von gut 70%. Doch bereits jetzt haben die beiden Zuckerfabriken in Aarberg (BE) und Frauenfeld (TG) Mühe, eine ausreichend hohe Auslastung zu erzielen, um noch rentabel wirtschaften zu können. In der Schweiz werden zu wenige Zuckerrüben produziert. Jährlich rund 320’000 Tonnen Zucker werden hierzulande gebraucht, die Schweizer Zucker AG kann rund 2/3 davon abdecken. Um die beiden Zuckerfabriken der Schweizer Zucker AG rentabel betreiben zu können, bräuchte es 1.4 Mio Tonnen Zuckerrüben pro Jahr. 2018 waren es 1.26 Tonnen (Schweizer Zucker AG), also zu wenig.

Zuckerpreis in sich zusammengefallen

Während man in den 1980er Jahren für eine Tonne A-Klasse Zuckerrüben noch 155 CHF bekommen hatte, fiel dieser Preis über die letzten Jahre komplett in sich zusammen und bewegt sich seit 2015 bei rund 45 CHF pro Tonne. Zucker rentabel anzubauen, ist also massiv schwieriger geworden, seit 2009 kein Leistungsauftrag des Bundes mehr besteht und der Zuckerpreis in direkter Konkurrenz mit dem europäischen Zuckermarkt steht.

Eine weitere Herausforderung: Insbesondere in der Westschweiz hat man zunehmend mit dem Syndrome de Bas Richesse (SBR) und der «virösen Vergilbung» zu kämpfen, die zeitweise zu Ertragsverlusten von 30-50% führt. Ein neonicotinoidhaltiges Saatgutbeizmittel namens «Gaucho», das dagegen half, wurde seit 2021 nicht mehr zugelassen und eine Alternative sei zur Zeit noch nicht in Sicht heisst es in einer Medienmitteilung des FiBL. In der EU ist «Gaucho» noch immer zugelassen. In der Schweiz laufe die Forschung nach Alternativen auf Hochtouren (bauernzeitung.ch)

Warum viele aufhören

Im Moment scheint der Anbau von Zuckerrüben trotz massiver Subventionierung unattraktiv zu sein. Das bestätigt auch Sven Studer, landwirtschaftlicher Koordinator bei Jucker Farm, der auf seinem eigenen Betrieb auch Zuckerrüben anbaut: «Der wichtigste Grund, dass viele aufhören, ist neben dem zunehmenden Krankheitsdruck und der damit verbundenen tieferen Produktionssicherheit sicher der gesunkene Preis. Zudem gibt es andere Ackerbaukulturen wie z.B. Getreide und Ölsaaten, bei denen die Preise nach oben angepasst werden, die man eher mit eigenen Maschinen anbauen kann».

Warum er denn weiterhin Zuckerrüben anbaue, frage ich ihn: «Ich rechne für mich etwas anders, da ich mit meinem Nachbarn eine Fruchtfolgegemeinschaft habe. Während er sich auf Getreide konzentriert, baue ich eher Hackfrüchte wie Zuckerrüben, Kichererbsen und Kürbis an. Dazu brauche ich Kulturen, die in der Produktion wenig Aufwand erfordern und da gehört die Zuckerrübe sicher dazu». Für Sven geht die Rechnung also auf. Noch.

Schweizer Zucker ist nachhaltig

An sich wäre Schweizer Zucker eine nachhaltige Sache, denn sämtliche bei der Verarbeitung anfallende «Abfallprodukte» werden hierzulande sinnvoll weiterverwendet. Die Rübenblätter verbleiben bei der Ernte auf dem Feld und dienen ab dem Frühling als Dünger für die nächste Kultur. Melassereste und Pressschnitzel der Rüben werden als Tierfutter verwendet. Zuckerfabriken benötigen kein Frischwasser, sondern gewinnen täglich rund 5 Millionen Liter Wasser aus den Rüben, das wieder in anderen Produktionsschritten verwertet wird, wie zum Beispiel beim Waschen der Rüben. Und: Die von den Rüben abgewaschenen Erdreste werden zu Blumenerde verarbeitet (Quelle: LID) Besser geht es ja fast nicht mehr oder?

Im Vergleich zu importiertem Zucker aus Brasilien schneidet der Schweizer Zucker gerade wegen der konsequent geschlossenen Verarbeitungsprozesse sehr gut ab, wie eine im Auftrag der Schweizer Zuckerfabriken verfasste (😉) Analyse der ETH festgestellt hat.

Zudem sind Zuckerrüben anbautechnisch gut für den Boden, da sie mit ihren tiefen Wurzeln den Boden gut auflockern.

Die Krux: Zuckeranbau fördern oder nicht?

Allerdings wird nur 15% des Zuckers als solcher in den Regalen verkauft. Der Grossteil geht in die Lebensmittel- und Getränkeindustrie (Quelle: LID)

Allen voran an die Süssgetränkeriesen wie Red Bull oder Coca Cola und natürlich unsere Schweizer Schokoladeproduzenten (srf.ch). Red Bull soll mit Abstand der grösste Abnehmer sein. Zwischen 25% und 30% der gesamten Schweizer Zuckerproduktion soll Red Bull je nach Quelle verarbeiten (tagblatt.ch).

Diese Grossabnehmer profitieren natürlich davon, den Zucker so günstig wie möglich einkaufen zu können. Der Zucker ist die mit Abstand am stärksten geförderte Einzelkultur im Ackerbau. Im Jahr 2020 wurden rund 36.8 Mio CHF investiert, um den Anbau von Schweizer Zucker zu fördern, das ist bei weitem über die Hälfte des Betrags, der gesamthaft für die Förderung spezifischer Ackerkulturen ausgegeben wurde (rund 63.6 Mio; Quelle: agrarbericht.ch)

Nur: Wie sinnvoll ist es, den Anbau von Schweizer Zucker noch zu fördern?

Schweiz isst viel zu viel Zucker

Im Schnitt konsumieren Schweizer Einwohner*innen rund 40 Kilogramm Zucker pro Jahr. Das sind rund 100 Gramm Zucker pro Tag (schweizerbauern.ch).

Das ist aber gleich doppelt so viel, wie die Welt Gesundheitsorganisation WHO eigentlich für einen Erwachsenen empfehlen würde. Und: Der übermässige Konsum von Zucker generiert jährlich Gesundheitskosten in Milliardenhöhe. Gemäss einer vom Deutschen Studie verursacht schlechte Ernährung (durch zu viel Zucker, Salz und Fette) in Deutschland Kosten von 18.8 Milliarden Euro jährlich. Der Zucker hat mit 8.6 Milliarden Euro den höchsten Anteil daran.

Rechnet man diesen Betrag grob über den Daumen auf Schweizer Verhältnisse um, käme man auf 888 Mio Euro, also rund 900 Millionen Schweizer Franken. Das ist zugegeben eine sehr grobe Schätzung, denn die Gesundheitskosten dürften je nach Land auch unterschiedlich strukturiert sein. Dennoch: Es gibt einen Anhaltspunkt, in welchem Bereich sich diese Kosten auch hierzulande bewegen dürften und das ist doch sehr erschreckend.

Wir subventionieren im Prinzip den Anbau von etwas, was – im Übermass konsumiert - fast 30-mal höhere Folgekosten verursacht. Eigentlich idiotisch.

Einmal mehr: Versorgungssicherheit

Natürlich spielen beim Anbau von Zucker auch Überlegungen der Versorgungssicherheit eine wichtige Rolle. Wenn wir den Anbau und die Verarbeitung von Zucker hier in der Schweiz nicht gewährleisten können, machen wir uns abhängig. Und gerade in Krisenzeiten wie diesen kann es Gold wert sein, ein Grundnahrungsmittel im Land selber anbauen zu können. Zumal Zucker ja auch ein wichtiges Mittel ist, um andere Lebensmittel zu konservieren. Aber sind wir ehrlich: Red Bull und Coca Cola (die ja den Hauptteil der Menge beziehen) gehören beileibe nicht zu jenen Lebensmitteln, die im Krisenfall oberste Priorität hätten, oder?

Das Problem ist: Das Gift macht die Menge. Zucker ist nicht per se schlecht. Aber dass hier deutlich weniger mehr wäre, ist unumstritten. Nur: «Etwas weniger» würde für unsere Zuckerfabriken den Todesstoss bedeuten. Und wenn der Zucker in der Schweiz nicht verarbeitet wird, können auch unsere Zuckerbauern einpacken. Denn: Wer kauft importiert schon Zuckerrüben, die doppelt so teuer sind, wie jene im Inland?

Somit ist auch klar, warum politische Vorstösse zur Einführung einer Zuckersteuer bisher komplett chancenlos waren (srf.ch).

Trotzdem muss man sich schon fragen: Wie viel sollte, darf oder muss uns die Versorgungssicherheit noch kosten? Und macht es Sinn, eine Kultur dermassen finanziell zu unterstützen, die hauptsächlich zur Herstellung ungesunder Genussmittel verwendet wird?

Wie viel Zucker braucht die Schweiz wirklich?

 

Valérie ist Vollblutautorin des FarmTickers und immer zur Stelle wenn's "brennt". Sie mag schöne Texte und offene Worte. (Zum Portrait).

Beiträge von Valérie
5 Kommentare zu “Die Sache mit dem Zucker”
    Claudia Dahinden

    Und wenn der schweizer Zucker mehr im Regal landen würde, deklariert? Beworben? Eben statt zu Red Bull zu gehen? Und statt Zucker aus dem Ausland?Ich denke auch, dass es nichts am Zuckerkonsum ändert, ob subventioniert oder nicht. Schweizer Zucker subventionieren - unbedingt unabhängig bleiben - und trotzdem Zucker allgemein besteuern? Ich fände gut, wenn alles Süsse teurer würde - aber eben auch das aus dem Ausland.😉 Und ich würde (billig wie Zucker ist, und wie wenig wir brauchen) problemlos das Doppelte zahlen für schweizer Zucker.

    Antworten
    Valérie Sauter

    Achte dich mal, im Regal ist eigentlich aller weisser Zucker aus der Schweiz. Rohrzucker natürlich nicht. Natürlich könnten Privathaushalte mehr bezahlen für Zucker, aber hier dürfte die Industrie die prominente Kraft sein, die ein Interesse daran hat, die Preise möglichst tief zu halten. Die brauchen ja auch die grossen Mengen.

    Antworten
    Meier Albert

    Hallo Valerie ,
    ich lese immer interessante Kommentare von dir , gratuliere.
    Vor allem der Kürbiskreislauf hat mich beeindruckt aber auch über die Zuckerrübe... ja wir haben halt gerne Süsses !
    Freue mich , weiterhin von dir lesen zu können .
    Freundliche Grüsse auch an die Familie Jucker

    Albert Meier Höri

    Antworten
    Urs Wegmann

    Ist doch aber wie mit allem: würde die Eihstellung der Zuckerproduktion in der Schweiz dazu führen, dass auch nur 1g weniger konsumiert würde? Wohl kaum. Dennoch spricht nichts dagegen, den Konsum zu reduzieren. Aber das funktiohiert nur, wenn wir als Konsumenten das Umsetzten. Zwang wird nicht funktionieren. Aufklären kann helfen.

    Antworten
    Valérie Sauter

    Sehe ich genau so.

    Antworten

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