Zu Jucker Farm
von Valérie

Was Pflanzenkohle kann – und was nicht

Im Jahr 2021 hat die Schweiz 45.2 Mio. Tonnen CO2-Äquivalente ausgestossen – allerdings sind der Flug- und Schiffsverkehr hier nicht eingerechnet, ebensowenig wie alle Emissionen, die durch Import von Gütern generiert werden (siehe bafu.ch).

Rechnet man Import hinzu, kommt man auf 12 Tonnen CO2-Äquivalente pro Kopf und Jahr. Der weltweite Durchschnitt liegt bei 6 Tonnen pro Jahr und Person. Das Ziel, um die Erde lebenswert zu halten läge bei 0.6 Tonnen.

Gelingt das nicht, werden wir zum Ende dieses Jahrhunderts einer globalen Erwärmung von 3.3-5.4°C gegenüberstehen. Zur Einordnung: Die aktuelle Erwärmung liegt bei 2°C. Schon jetzt gibt’s durch zunehmende Wetterextremlagen (Stürme, Hagel, lange Trockenheit vs. lange Nassperioden) Ernteausfälle, der Schädlings- und Krankheitsdruck nimmt zu und das mit dem Skifahren im Winter wird immer mehr zur Glückssache.

Also auf Deutsch gesagt: Die Kacke ist am Dampfen, wir müssen etwas tun.

Da wir es schön fänden, auch 2050 noch gesunde Lebensmittel für alle produzieren zu können, sind wir sehr besorgt und fragen uns: Was können wir als Bauernhof für einen Beitrag leisten, um das Ruder rumzureissen?

Was kann die Landwirtschaft?

Klar: Wir können möglichst witterungsrobuste Sorten anbauen. Wir können schauen, dass wir den Boden möglichst erhalten oder sogar aufbauen und damit widerstandsfähiger zu machen gegenüber extremem Wetter. Und dann gibt’s noch die Pflanzenkohle.

Pflanzenkohle entsteht durch Pyrolyse. Ein Vorgang, bei dem Pflanzenreste unter Ausschluss von Sauerstoff und hohem Druck verkohlt werden. Bei der Pyrolyse wird – im Gegensatz zum Verbrennungs- oder Verrottungsvorgang, nur die Hälfte des CO2 freigesetzt. Die andere Hälfte wird in der verkohlten Pflanze in stabilem Zustand gebunden, im Schnitt für 1’400-14'500 Jahre.

Der Mensch wittert eine Chance. So könnte es gelingen, CO2 aus der Umgebungsluft zu entnehmen und für die nächsten paar Jahrtausende in Pflanzenkohle zu binden. Genau das, was wir brauchen, um dem Klimawandel Einhalt zu gebieten, nicht?

Ja, aber…

Ihr kennt das: So einfach ist es eben auch wieder nicht (schön wär’s). Die Wissenschaft schätzt, dass mittels dieser Technik, so genannten «C-Senken» bis zum Jahr 2050 jährlich bis zu 4 Millionen Tonnen CO2 eingelagert werden könnten (Handout Pflanzenkohle in der Landwirtschaft 2021 vom Eidgenössischen Departement für WBF, Agroscope). Das wären etwa 10% dessen, was wir aktuell jährlich in die Atmosphäre entlassen. Ernüchternd wenig, aber immerhin etwas.

Pflanzenkohle hat aber noch andere Vorteile: Durch Untermischen von Pflanzenkohle in Terra Preta wird der Boden aufgewertet und kann mehr Feuchtigkeit speichern. Zudem fungiert sie wie ein Schwamm und reduziert die Nitratauswaschung im Boden. Sprich, sie sorgt dafür, dass die Nährstoffe da bleiben, wo sie sein sollten. Warum wäre das wichtig? Unter anderem deshalb, weil Nitrat in Gewässern in Lachgas umgewandelt wird, das rund 250 mal klimaschädlicher ist, als CO2 (agroscope.ch)

In der Tierhaltung ist Pflanzenkohle super geeignet, um in Form von Futtermittel-Beigabe, Stalleinstreu oder Güllezusatz Ammoniak binden kann. Auch Ammoniak wird bei Austritt in die Umwelt in Lachgas umgewandelt und ist demzufolge ebenfalls indirekt klimaschädlich.

Wie gross das Potenzial von Lachgasreduktion durch Pflanzenkohle in der Tierhaltung genau ist, ist schwierig zu beziffern. Bisher sprechen die Studien von einer Reduktion im Bereich von rund 40% (agrarforschungschweiz.ch)

Wie viel Pflanzenkohle wird bei uns eingesetzt

Auch für uns – ohne grosse Tierhaltung - ist Pflanzenkohle ein wichtiges Hilfsmittel, das wir in der regenerativen Landwirtschaft einsetzen. Wir streuen Pflanzenkohle aber nicht einfach pur auf die Felder. Seit 2021 stellen wir mit der Kohle regelmässig Terra Preta her, um unsere Böden aufzuwerten. Rund 20 Tonnen Pflanzenkohle arbeiten wir jährlich so mittlerweile in unsere Böden – mehrheitlich rund um den Spargelhof in Rafz.

Pflanzenkohle allein ist nicht per se gut für den Boden...

Ihre Funktion als Schwamm, Nährstoff- und Feuchtigkeitsspeicher erfüllt sie durch die Beimischung zu Terra Preta.

Aber: «Pflanzenkohle ist per se kein Dünger. Im Gegenteil. Wenn man sie vorher nicht mit Nährstoffen auflädt, kann sie dem Boden sogar Nährstoffe entziehen», erklärt Sven Studer, der bei der Jucker Farm den Bodenkurs leitet, «Pflanzenkohle funktioniert wie ein Schwamm. Sie speichert Nährstoffe und Feuchtigkeit im Boden. Wenn sie mal mit Nährstoffen und Feuchtigkeit vollgeladen ist, kann sie ein Vielfaches des eigenen Gewichts an Nährstoffen speichern und bietet so das perfekte Habitat für Bodenmikroben». Deshalb mischt man sie der Terra Preta unter.

Ausserdem müsse die Pflanzenkohle oberflächlich in den Boden eingearbeitet werden, damit sie dorthin gelangt, wo die Pflanzen auch wirklich profitieren: Am Wurzelballen einige Zentimeter unter der Erde.

Aber… lohnt sich das?

Die Forschung relativiert den Nutzen der Pflanzenkohle etwas. Vor allem in gesunden, nährstoffreichen Böden, halte sich der Nutzen in Grenzen und stehe in keinem Verhältnis zu den finanziellen Aufwänden.

Dem stimmt Sven Studer ohne zu zögern zu: «Diese Erfahrung haben wir auch gemacht. Auch bei günstiger Witterung ist kein positiver Effekt festzustellen. In sehr trockenen Jahren haben wir aber ganz klar gesehen, dass die Flächen, die wir mit Terra Preta (die Pflanzenkohle enthält) «gefüttert» hatten, rund 1 Woche länger ohne künstliche Bewässerung ausgekommen sind.» Kurzfristig rechne sich das nicht, dem stimmt Studer zu. Aber langfristig werden sich diese Investitionen auszahlen. Bezüglich Wasserspeicherkapazität werden auch oft Holzschnitzel erwähnt. Diese verwende man in Rafz zwar auch bei den Heidelbeeren. Auch die hätten einen guten Wasserrückhalte-Effekt und würden Unkraut unterdrücken. Doch gemäss Studer geben Holzschnitzel das Wasser rascher wieder ab als Pflanzenkohle und sie machen den Boden massiv alkalisch. Zudem benötige man viel grössere Volumina.

Fazit: Pflanzenkohle hilft, wird aber das Emissionsproblem nicht im Alleingang lösen.

Wie man Pflanzenkohle optimal einsetzt, das lernt man unter anderem in unserem «Bodenkurs für eine regenerative Landwirtschaft mit Zukunft»: Interessierte können sich noch bis 1. März anmelden.

Valérie war Vollblutautorin des FarmTickers (bis Juni 2024) und immer zur Stelle wenn's "brennt". Sie mag schöne Texte und offene Worte. (Zum Portrait).

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