Zu Jucker Farm
Littering im Feld
von Valérie

Littering – gefährliche Unachtsamkeit

Vielleicht ist es euch auch schon aufgefallen: Entlang von Strassen trifft man immer wieder unachtsam weggeworfenen Müll an. Das ist per se schon einfach mal ärgerlich für die Besitzer*innen dieser Fläche oder die Gemeindearbeiter*innen, die das dann wieder schön zusammenlesen können.

Auf landwirtschaftlichen Flächen ist Littering aber nicht nur unschön, sondern auch noch gefährlich für die Tiere. Auf vielen Wiesen wird Tierfutter angebaut – das ist für den Laien meist nicht ersichtlich. Dabei geht es noch nicht mal um die ganze Dose an sich – die würde eine Kuh nicht fressen.

Problematisch ist es vor allem dann, wenn die Aludosen oder Plastikflaschen, oder Nägel und Drahtteile im hohen Gras liegenbleiben. Man hat beim Mähen keine Chance, diese zu erkennen. Der Abfall wird vom Mähwerk erfasst und in Stückchen zerkleinert, die dann im Tierfutter landen und bei Kühen, Schafen oder Pferden innere Verletzungen verursachen.

Durch die entstehenden Entzündungen oder Schmerzen fressen die Tiere nicht mehr und magern ab oder sterben qualvoll daran. Auch liegengelassene Zigistummel, Hundekot oder Reste von Feuerwerkskörpern sind für die Tiere bedenklich. Harte Materialien können zudem die landwirtschaftlichen Maschinen beschädigen, die danach für teures Geld repariert werden müssen – sofern das überhaupt noch möglich ist. (Quelle: SBV)

Kühe besonders gefährdet

Kühe schlucken - im Gegensatz zu Pferd, Schafe oder Ziegen - ganze Grasbüschel. So gelangen Abfallfragmente leichter in ihren Magen. Manchmal dringen sie aber sogar noch weiter vor - in die Milz, die Leber oder sogar bis ins Herz. (Quelle: Bauernzeitung.ch).

Während man Metallfragmente notfalls durch einen ins Verdauungssystem eingebrachten Magneten einfangen kann, gelingt dies bei Plastiksplittern nicht. Die bleiben unauffindbar, können aber genauso Schäden anrichten. nd Verletzungen durch Plastikfragmente haben zugenommen, sagt Prof. Dr. med. vet. Michael Hässig vom Tierspital Zürich: «Der Schweregrad (der Verletzungen; Anm. d. Red.) hat sich nicht verändert. Ein Fremdkörper im Pansen ist immer noch ein akuter Notfall. Fremdkörper können wegen der Nähe des Pansen zum Herzen Herzbeutelentzündungen (Pericarditis) verursachen oder sogar das das Herz (Carditis) betreffen. Neu ist, dass die Fremdkörper meistens nicht mehr aus Metall bestehen, sondern aus Plastik. Das ist insofern relevant, da Nägel mit Magneten gut lokalisierbar oder im Röntgen gut darstellbar sind, während Plastik sehr schwer als Ursache festzustellen ist.»

Feldrandfund einer Bäuerin.

Der Klassiker: Aludosen von Energygetränken oder Bier. Gelangt so eine ins Mähwerk, entstehen messerscharfe, potenziell tödliche Splitter.

Littering hat zugenommen

Gemäss der IGSU (Interessensgemeinschaft für eine saubere Umwelt) ist Littering ein zunehmendes Phänomen. Im urbanen Bereich ist der häufigste weggeworfene Gegenstand die Zigi, gefolgt von Takeaway-Verpackungen. Dann kommen die im landwirtschaftlichen Bereich Spitzenreiter: Pet- oder Glasgetränkeflaschen und Aludosen. (Quelle: IGSU)

Doch nicht nur im urbanen Raum, auch auf dem Land hat man den Eindruck, dass Littering in den letzten Jahren zugenommen habe. Unser Produktionskoordinator Sven Studer, der zuhause noch einen eigenen Betrieb mit Viehhaltung führt, sagt dazu: «Ich habe einige Felder entlang einer verkehrsintensiven Hauptstrasse. Dort lesen wir jedes Jahr Abfall zusammen. Auch in den Wäldern nimmt die Menge an Abfall zu. Vor allem Hundekotbeutel. Auf meinem Betrieb investieren wir rund 30-40 Stunden pro Jahr mit Abfall zusammenlesen. Also fast eine ganze Arbeitswoche.»

Häufungen in stadtnahen Erholungsgebieten

Auch M. Hässig bestätigt den Eindruck von einer Zunahme des Litterings aufgrund der auftretenden Nutztiernotfälle im Tierspital: «Leider haben die Fremdkörperprobleme lokal zugenommen. War es früher Unachtsamkeit der Landwirte beim Bauen als Nägel ins Futter gelangte, so sind es heute Abfälle von Freizeitvergnügungen.»

Gemäss einer von ihm und weiteren Forschungskollegen verfasste Studie zu «Räumlichen Unterschieden in der Prävalenz von Rinderkrankheiten in einer Nutztierpraxis» (2019) treten so genannte «Fremdkörperprobleme» im Grossraum Zürich vor allem in der Nähe von grösseren Fliessgewässern, Seen und Wäldern auf. Also dort, wo die Bevölkerung im Sommer gerne ihre Freizeit verbringt.

Littering bei Jucker Farm

Auf unseren Produktionsflächen in Rafz und Jona ist  das Problem von Littering durch Drittpersonen nicht gravierend. «Wir haben wenige Felder entlang von Durchfahrtsstrassen, deshalb ist das Problem nicht so gross», sagt Sven Studer. Ausserdem liegt Rafz nicht im Naherholungsgebiet von Zürich oder Winterthur und der Ausflugstourismus in diesen Gegenden hält sich in Grenzen.

Auch Stefan Bächli, Produktionsleiter auf dem Bächlihof in Jona empfindet das Litteringproblem auf dem Bächlihof als nicht übermässig: «Wir merken es vor allem nach Veranstaltungen mit Zuschauern. Während der Badesaison vor dem Mähen lesen wir vielleicht einen halben 35-Liter-Kehrichtsack Müll zusammen», sagt er. Am häufigsten treffe er Büchsen von Energydrinks, Bierbüchsen und -Flaschen, Hundekotsäcke, Windeln und Taschentücher an. Insgesamt beurteilt er das Litteringproblem auf dem Bächlihof mit einer 3 von 10. Ein totes oder verletztes Tier aufgrund von Littering hatte er noch nicht zu beklagen bisher.

Abfall auf den Feldern sei mehr ein internes Problem, gibt Studer zu: «Das grösste Litteringproblem generieren unsere eigenen Mitarbeiter auf dem Feld, indem sie Gummihandschuhe liegenlassen. Leider», sagt Sven Studer. Auch Benjamin Keil, der seit Anfang Jahr Spargelhof-Chef ist, gesteht ein: «Das ist mir ein grosser Dorn im Auge. Wir sind intensiv daran, unsere Mitarbeiter zu sensibilisieren und das Littering auf dem Feld zu unterbinden».

 

Hast du selbst schon mal Littering beobachtet? Was ist deine Meinung dazu?

Valérie ist Vollblutautorin des FarmTickers und immer zur Stelle wenn's "brennt". Sie mag schöne Texte und offene Worte. (Zum Portrait).

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