Zu Jucker Farm
Hofplatz Kürbisausstellung 1997
von Valérie

Die Jucker-Saga – Teil 11

Nach den Lehrjahren der Jucker-Brüder ging es darum, so richtig in den Beruf einzusteigen und diese Aufgabe nahmen die Jucker-Brüder sehr ernst. Endlich sollten sie etwas bewegen können…

Aufgrund des fortgeschrittenen Alters von Ernst Schweizer-Meier auf dem Florhof, übernahm Beat direkt nach der Lehre den Hof in Rafz. Die 14 ha Land waren für Ernst zwar genug gewesen. Für den jungen, wilden Beat aber nicht einmal feierabendfüllend. So hat er von Anfang an zusätzlich bei Josua Graf (dem Nachbarbauern) gearbeitet. Dort hat er die Pflege der Rollrasenproduktion übernommen und auch bei der Rasenansaat auf Golfplätzen in der ganzen Schweiz mitgeholfen. Um die Tage ganz auszufüllen, war er zudem noch als Maschinist bei Keller Gartenbau in Uster tätig.

Martin ist nach der Lehre direkt im Juckerhof eingestiegen. Dort hat Vater Ueli die Anbauflächen noch etwas ausgedehnt und auch der immer besser laufende Hofladen konnte die zusätzliche Arbeitskraft gut vertragen.

Wohin mit den Höfen?

Schnell zeigte sich, dass die administrative Betriebsführung in der Grundausbildung zu kurz gekommen war und da diese auch nicht Uelis Stärke war, blieb mehr liegen als liegen bleiben sollte… Die landwirtschaftliche Handelsfachschule am Strickhof sollte - nach dem Absolvieren des obligatorischen Militärdiensts - Abhilfe schaffen.

So drückten Beat und Martin zusammen mit 23 anderen Bäuerinnen und Bauern nochmals einen Winter lang die Schulbank. Dort bekamen sie eine breite Grundausbildung in vielen Themen der Unternehmensadministration.

Bei diversen Projektarbeiten haben sich die Jucker Brüder intensiv mit der zukünftigen Ausrichtung ihrer Betriebe auseinandergesetzt. Dabei kam auch schonungslos auf Papier, wie schwierig die Ausgangslage auf dem Juckerhof in Nähe des Pfäffikersees war.

«Der kleine Florhof in Rafz hatte in der damaligen Form nicht mal als Nebenerwerbsbetrieb eine Überlebenschance und der Juckerhof stand nur vermeintlich gut da.»

Denn damals stand der Entwurf für die neue Schutzverordnung Pfäffikersee im Raum. Dieser hätte verlangt, aus Gründen des Landschaftsschutzes, auf dem Juckerhof auf jeglichen Obstbau zu verzichten. Dies wäre – nur wenige Jahre nach dem Neubau der Obstbau-Infrastruktur – verheerend gewesen. Die getätigten Investitionen hätten niemals kompensiert werden können. Denn der Juckerhof war mit nur 12 Hektaren ein sehr kleiner Betrieb.

Das Endresultat der Schutzverordnung hatte dann zum Ergebnis, dass nur knapp 1 HA aus der Produktion ausgeschlossen werden musste. Der Rest des Betriebs erhielt Auflagen, die den Betrieb des Juckerhofs bis heute beeinflussen (unter anderem die Verkehrssituation). Diese Auflagen machten aber eine moderne und kostengünstige Produktion unmöglich. Weder Fisch noch Vogel. Die Juckers mussten sich also etwas einfallen lassen.

Der Geisslipark sollte Besucher anlocken

Und so kam es, wie es kommen musste: Da Beat und Martin Jucker gemeinsam an den Konzepten arbeiteten, kam auch eine gemeinsame Lösung zum Vorschein. Die Erkenntnis, dass der Hofladen die Perle ist, hat die weiteren Schritte geprägt. Beat und Martin beschlossen, die zwei Höfe zusammenzuschliessen und entgegen der Erfahrung aus der Familiengeschichte den Weg gemeinsamen zu gehen. Das Herz des Konzepts war der Hofladen. Beide Höfe sollten komplett auf Direktvermarktung ausgerichtet werden. Diese sollte anfangs aber nur in Seegräben stattfinden.

«Kaum aus dem Schulzimmer raus war klar, dass wir viele neue Spezialitäten brauchen, damit wir ein attraktives Sortiment im Hofladen anbieten können. Welche Spezialitäten, war aber noch völlig unklar», erzählt Martin Jucker. Es war aber auch klar, dass der Hofladen in Seegräben kaum spontane Passanten hatte. Es war nötig, dass er bekannt wird und dass es sich lohnt, dafür extra nach Seegräben zu fahren.

Ein erster Weiterbildungsausflug führte an einem Sonntag ins Heidiland, um die Ziegenhaltung dort zu studieren und zu analysieren, wie emotionale Inszenierung gemacht werden muss. Wie es für die Juckers typisch war, wurde nicht lang gefackelt und schon am nächsten Tag begann der Stallbau. Kurz danach zogen die ersten Zwergziegen auf dem Juckerhof ein. Der Geisslistall war also noch vor den Kürbissen da. Ein erster Nagel für die künftige Stossrichtung war eingeschlagen.

Ungewisse-Zukunft-Obsbau-Juckerhof Mitte der 1990er

Ungewisse Zukunft: Der Jucker Obstbaubetrieb Mitte der 1990er-Jahre.

Garten der Juckers - heute da, wo der Lindenplatz ist.

Der Garten der Familie Jucker in den 1990er-Jahren. Heute ist hier der Lindenplatz...

Die ersten Geissli des Juckerhofs.

Reiseerfahrungen mit einer Erkenntnis

Im nächsten Winter taten die Juckers mal etwas ganz Neues: Sie brachen zu einer mehrmonatigen Australienreise auf. «Landwirtschaftliche Berufe bringen es mit sich, dass der Sommer intensiv ist und der Winter Raum lässt für Anderes», erzählt Martin Jucker. So haben sie den Winter genutzt, ihren Horizont zu erweitern. Auch diese Reise haben sie – zumindest teilweise – gemeinsam unternommen.

Das Fazit war allerdings nur, dass Reisen zwar auch cool ist, aber in der Arbeit mehr Erfüllung liegt und vor allem den Raum bietet, etwas zu erschaffen. Das schien den Bauern-Jungs wichtiger und somit blieb es im Wesentlichen bei dieser längeren Reise-Episode.

Erste Schritte im Partybusiness

Wieder zurück in der Schweiz waren die Tage für die jungen, wilden Juckers oft immer noch zu kurz. Auch die Nächte mussten ausgefüllt werden. Einfach nur als Gäste in den Ausgang, das war ihnen aber zu wenig und so waren sie plötzlich auch im Partybusiness drin. Angefangen hatte es mit Partys auf dem Hof, hauptsächlich für Kollegen. Daraus entstanden schnell Zusammenarbeiten mit MB Production (Michel Bronner) bei den Sunshine Partys und Patrik Hofstetter mit einer mobilen Bar (Cage House Bar).

Das intensive Suchen und Planen in der «der Landwirtschaft nachgelagerten Stufe» zeigte aber schnell, dass es bei den jungen Brüdern auch punkto Unternehmensführung noch viele Defizite gab. Dies hätte man in der landwirtschaftlichen Meisterschule (der nächste offizielle, berufliche Schritt) lernen können, jedoch waren die beiden dafür noch zu jung.

So wurden daraus stattdessen zwei Winterkurse am Schweizerischen Institut für Unternehmerschulung (SIU).

«Es zeigte sich auch schnell, dass es sehr inspirierend war, mit vielen anderen Gewerbetreibenden aller Art, die Unternehmensführung zu erlernen.»

Martin Jucker über seine ersten Schritte als Unternehmer.

Als einzige zwei Bauern in der Klasse waren die Jucker Brüder natürlich die Exoten. Das wichtigste Learning im SIU war aber für die zwei, dass sie die Grenzen der landwirtschaftlichen Denkweise sprengen konnten. Plötzlich standen da Top-Manager aus Marketing, Kommunikation und Mitarbeiterführung etc. als Referenten vor den Bauern.

Die Entdeckung des Kürbis

1995 im Herbst entdeckten die Jucker-Brüder, dass der benachbarte Bauer Markus Bockhorn vom Sonnenhof einige Kürbisse vor seinem Hofladen hatte. «Interessiert hat es uns aber erst mal nicht wirklich», erzählt Beat. Im Frühling danach konnten die jungen Obstbäume in Seegräben aber nicht wie geplant gepflanzt werden, weil viele davon in der Baumschule erfroren waren.

Da erinnerte sich Beat wieder an die Kürbisse bei Bockhorn und beschloss spontan, in der Obstanlage auch ein paar Kürbisse zu pflanzen. Die einzige erhältliche Sorte waren damals Bischofsmützen.

«Im September schaute ich wieder nach ihnen und entsorgte viele davon, weil ich dachte, sie seien von den Schnecken angefressen. Dass Bischofsmützen so aussehen müssen, wissen wir jetzt natürlich auch»,

erinnert sich Beat Jucker.

Mitte Oktober wurden dann die übrigen paar Kürbisse noch geerntet und vor dem Hofladen präsentiert. Zur allgemeinen Überraschung waren die maximal 100 kg schnell verkauft. Die Juckers hatten Blut geleckt!

Kurz darauf entdeckten sie in einer Fachzeitschrift eine Minireportage über einen Bauernhof (die Ferme de Sainte Marthe) in Frankreich, der 80 Sorten Kürbisse anbaute und diese jeweils im Einkaufszentrum von einem Carrefour-Markt erfolgreich verkaufte. Damit war der Beweis, dass da mehr geht, erbracht. Das musste ausprobiert werden und schon eine Woche später war Beat mit seiner damaligen Freundin unterwegs in Richtung Paris. Ob sie das wirklich lustig fand, dass er kurz vor Paris auf einen Bauernhof abgebogen ist, lassen wir mal im Raum stehen.

Kerne ohne Know-How

Ein Deutscher Mitarbeiter auf diesem Hof konnte Beat dann verständlich machen, dass das Kürbis Knowhow so einzigartig ist, dass er es nicht einfach so weitergeben will und darf. Er hat aber auch festgestellt, dass der komische Gast ein Schweizer ist, und da der Hof gerade in finanziellen Schwierigkeiten steckte, haben sie dann spontan beschlossen, diesem jungen Schweizer ein paar Samen von jeder Sorte zu verkaufen. Massiv überteuert, selbstverständlich. Wie viel genau, wissen sie heute nicht mehr, doch es war viel Geld.

Ein Landabtausch mit Ernst Brunner aus Bassersdorf ermöglichte den Juckers, den ersten Kürbisanbauversuch in Gossau ZH (in der Nähe von Seegräben) durchzuführen. Wichtig anzumerken ist, dass Beat wohl die Kürbissamen hatte kaufen können, aber keinerlei Knowhow dazu bekommen hatte. Deshalb beschlossen die Juckers, die Kürbisse ähnlich wie Zucchini anzubauen, da die Pflanzen sind ja nahe miteinander verwandt sind. Um zu lernen, was alles geht, haben sie alle Samen ausgesät, was zu einer Testfläche von 1.5 ha führte.

Neueröffnung des Hofladens

Der Hofladen auf dem Juckerhof hatte sich in den wenigen Jahren prächtig entwickelt. Aber er wurde zu klein. Im Sommer 1997 wurde er von 40 m2 auf 100 m2 ausgebaut. Dieses Projekt hat viel Manpower gebunden und es war allen klar, dass es für die Zukunft der Höfe nichts Wichtigeres gab als der Ausbau des Hofladens. Zeit für die Kürbisse blieb also nicht. Die wurden einfach sich selbst überlassen.

Nach der Fertigstellung sollte Mitte September eine grosse Neueröffnung gefeiert werden. Ein Blick auf das Kürbisfeld Anfang September sah nicht gut aus, es hatte sich auch monatelang niemand darum gekümmert. Doch zwischen dem Unkraut waren dann – per Zufall – doch noch fast 50 Tonnen Kürbisse versteckt.

So sah der Hofplatz bei der ersten "Kürbiausstellung aus Versehen" aus...

Eigentlicher Anlass war aber die Neueröffnung des umgebauten Hofladens...

Die Geschwister Jucker in der Küche am Kürbissuppe kochen.

Aus Versehen: Die Erfindung der Kürbisausstellung

«50 Tonnen! Was machen wir nur damit? Als Obstbaubetrieb standen wir kurz vor der Obsternte und dann haben wir keine Zeit für anderes. Also entschieden wir, dass die Kürbisse wohl reif sein müssen. Von Wissen kann keine Rede sein», erzählt Martin Jucker. Die Apfelgrosskisten wurden für die Kürbisernte genutzt. Da sie aber kurz darauf für die Obsternte gebraucht wurden, wurden die Kürbisse überall auf dem Hof unter die Dächer gestapelt.

«Die Hofladenkunden haben uns dann darauf angesprochen und gefragt, wer denn die Idee für eine Kürbisausstellung hatte? Etwas verwundert haben wir festgestellt, dass wir ja wirklich so etwas gemacht haben», erinnert sich Martin.

«Die erste Kürbisausstellung war also mehr ein Versehen, entstanden aus einer logistischen Notwendigkeit.»

Martin Jucker über die erste Kürbisausstellung 1997

Kurzerhand wurde die Neueröffnung des ausgebauten Hofladens «mit Kürbisausstellung» angekündigt. In der Wahrnehmung der Juckerbrüder waren die Kürbisse aber eher ein etwas unbequemes Problem. Man muss sich vorstellen, dass zu dieser Zeit wohl in der ganzen Schweiz keine 10 Tonnen Kürbisse verkauft wurden. Nicht einmal mehr Schweine frassen Kürbisse. Aus Sicht der Jucker-Brüder lagen auf dem Juckerhof also erst mal 50 Tonnen Probleme…

Es machte: BOOOOOM

Am Neueröffnungswochenende wollten wir dann gleich 2000 Besucher auf den Hof bringen. «Bescheidenheit kam damals nicht in unserem Wortschatz vor», sagt Beat.

Aber es kamen nicht 2000 sondern noch viele tausend mehr. Wir wurden völlig überrannt. Der Frust war, dass sich die Mehrheit nicht für den Hofladen interessierte. Die Überraschung war, dass die Kürbissse (die vermeintlichen Probleme) die Menschen total begeisterten. Natürlich waren die Juckers völlig überfordert. Lange Schlangen an der Kasse, Parkprobleme und bereits am Samstagnachmittag gab es keine Kürbissuppe mehr.

Über Nacht wurde nachgeliefert und für den Sonntag wurden sogar die Grosseltern zum Helfen mobilisiert. So überstand man auch den allerersten «Kürbis-Sonntag» irgendwie.

Schon wenige Wochen später waren alle Kürbisse verkauft. Kurz zuvor war das noch undenkbar, aber Beat und Martin haben schnell gelernt und wussten:

«Wenn man es so richtig übertreibt, bekommt man auch viel zurück.»

Valérie ist Vollblutautorin des FarmTickers und immer zur Stelle wenn's "brennt". Sie mag schöne Texte und offene Worte. (Zum Portrait).

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