Zu Jucker Farm
Kürbisausstellung_1998
von Valérie

Die Jucker Saga Teil 12 – Die erste “richtige” Kürbisausstellung

Dass die erste Kürbisausstellung «aus Versehen» ein durchschlagender Erfolg war, hatte bei den Jucker-Brüdern einen bleibenden Eindruck hinterlassen.

Klotzen statt Kleckern

Im zweiten Winter in der Weiterbildung an der SIU kam dann in Projektarbeiten die Euphorie einer ganzen Klasse junger Unternehmer zusammen. Das Resultat der Gruppenarbeit: Im Jahr 1998 sollte die weltgrösste Kürbisausstellung in Seegräben entstehen. Zwei Monate sollte sie dauern und 100’000 Besucher*innen anziehen.

Doch keine Ausstellung ohne Kürbisse. Im Frühling 1998 mussten dafür natürlich einige Hektaren Kürbisse gepflanzt werden. Überall wo es irgendwie ging, kamen Kürbissamen in den Boden. Sogar der Rebberg in Rafz musste im Übermut für die Kürbisproduktion herhalten.

Die Beschaffung des Saatguts konnte durch einen ersten Internetzugang massiv vereinfacht werden. Samen aus Südafrika und Japan kamen dazu. So konnte das Sortiment auf 120 verschiedene Sorten erweitert werden.

Parallel dazu: Experimente

«Als wir merkten, dass die Charentais-Melonen nahe Verwandte der Kürbisse sind, haben wir auch davon mal ein Versuchsfeld angelegt. Natürlich bekamen wir auch Wind vom Hype um die Kürbiskerne. Aus der Steiermark gab es Saatgut und so bauten wir ca. 50 Aren Ölkürbis an.

(Um hier schön bei den Erfolgsmeldungen zu bleiben, verzichten wir darauf, die anderen rund 15 verschiedenen Kulturen, die wir in den Jahren ‘97 und ‘98 ausprobiert haben, genauer auszuführen. Denn diese waren allesamt gescheitert.)

Im Sommer merkten wir, dass die Produktion von Ölkürbissen anders läuft als jene der Speise- und Zierkürbisse. Kurzerhand bereisten wir zwei Tage lang die Steiermark, um zu lernen, wie das geht», erzählt Martin Jucker.

So eine «Weiterbildung» in der Art der Gebrüder Jucker lief damals so ab: Freitagabend 18:00 Uhr, Nachtzug ab Zürich bis nach Graz. Ankunft in Graz um 07:00 Uhr. Bis 18:00 Uhr diverse Betriebe anschauen und Grundlagen lernen mit einem Führer vor Ort. Dann Nachtessen und ab in die Diskothek. Um 03.00 Uhr schlafen bis 07.00 Uhr, dann erneut los zur Betriebsbesichtigung bis 17.00 Uhr. Dann wieder Nachtzug nach Zürich, denn am Montag geht ja wieder die Arbeit los. «Für Arbeitsbeginn um 7 Uhr hat’s allerdings nicht ganz gereicht, der Zug kam dann erst in Zürich an», sagt Martin schmunzelnd.

Die spinnen, die Juckers

Nachdem der Anbau der Kürbisse aufgegleist war, machten sich die Jucker Brüder an die Organisation der Ausstellung. Da keine eigene Infrastruktur dafür da war, suchten sie Partner. Vor allem einen Caterer, welcher Kürbisgerichte anbieten sollte, wurde händeringend gesucht.

«Niemand ausser uns konnte sich vorstellen, dass eine Kürbisausstellung 100'000 Besucher anziehen könnte.»

Martin Jucker

Leider zeigte sich, dass sich (ausser Beat und Martin) niemand vorstellen konnte, dass eine Kürbisausstellung 100’000 Besucher anziehen kann. Alle Angefragten haben höflich abgesagt. Die Zeit drängte und das Problem wurde grösser. Die Lösung: «Dann machen wir halt alles selber.» Die Personalsuche für die Kürbisausstellung musste gestartet werden. Trotz der vielen Inserate kam keine einzige Bewerbung. Auch hier: Niemand konnte sich vorstellen, dass das mit dieser «Kürbisausstellung» ernst gemeint sein könnte.

Dafür meldete sich dann doch noch ein kleiner Caterer aus Wetzikon. Es handelte sich um Heinz Eichenberger, der Onkel von Claudia Eichenberger von der Metzgerei Eichenberger, die auch heute noch Fleischwaren auf den Juckerhof liefert. Er meinte, für ihn sei es auch spannend, wenn nur 10’000 Besucher kommen. Was er als realistisch erachtete, da er während der Kürbisausstellung 1997 zufällig mit dem Velo über den Hof gefahren war und wegen der vielen Leute absteigen musste.

Melonen ohne Geschmack

Die Melonenernte war schnell vorbei. Es gab einzelne hervorragende Melonen, aber mehrheitlich ähnelte das Aroma der hiesigen Melonen eher jenem von Gurken… Tja. Das Experiment hatte aber den Vorteil, dass die Brüder dabei in Kontakt mit zwei weiteren Bauern kamen, die mit Melonen experimentierten. Vor allem Daniel Rutschmann aus Hüntwangen sollte noch eine wichtige Figur in dieser Geschichte Umfeld werden.

Und dann ging es los, mit der Kürbissaison. Ob man parat war, oder nicht. Das Personalproblem bestand nämlich auch zum Beginn der Erntezeit noch. Notdürftig gestopft wurde das Personalloch durch Familienmitglieder und gute Freunde, die nicht nein sagen konnten.

Kürbisausstellung 1998 - Blick auf den Hofplatz des Juckerhof.

Kalebassen wurden auch damals schon zum Verkauf angeboten.

Humberto's ("Humbi's") Kürbisschnitzkunst.

Hausgemachter Werbeflyer anno 1998

20 Stunden arbeiten, 4 Stunden schlafen

Die Arbeitstage für die Ernte und den Aufbau Kürbisausstellung dauerten von 6:00 Uhr bis ca. 02:00 Uhr morgens. Alle packten mit an, auch der Obstbau-Lehrling Stefan Bächli war Tag und Nacht auf den Beinen. Unser Praktikant aus Deutschland, Jens Eisenmann vom Obsthof Eisenmann, hatte eigentlich auf einem kleinen Schweizer Betrieb eine eher ruhige Zeit verbringen wollen. Sein Plan ist kläglich gescheitert. Was er damals noch nicht wusste: Damit hatte er den Grundstein für die Weiterentwicklung und Zukunft seines Betriebs gelegt.

Es musste viel gemacht werden. Um dem «grosszügigen» Versprechen der weltgrössten Kürbisausstellung gerecht zu werden, sollten an der Eröffnung mindestens 100 Tonnen Kürbisse vor Ort sein. Damit aber 100’000 Besucher erreicht werden konnten, brauchte es auch Werbung. «Etwas überrascht von den hohen Kosten für Anbau etc. ging uns aber bereits vor der Ausstellung das Geld aus. Aus der Not heraus beschlossen wir, eine Pressekonferenz zur Eröffnung zu machen», erzählt Martin Jucker, «ein journalistischer Artikel kostet ja schliesslich nichts – ganz im Gegenteil zu den teuren Inseraten». Der Bauernverband half mit, an die Kontakte zu kommen. Am Tag vor der Eröffnung standen dann viele klingende Namen der Schweizer Medienlandschaft auf der Teilnehmerliste der Eröffnungsfeier.

Fake it until you make it

Den Weisswein an der Medienkonferenz haben wir dann aber selber getrunken. Leider war wenige Stunden davor in Halifax ein Flugzeug der Swissair abgestürzt und wir mit unseren Kürbissen waren verständlicherweise nicht mehr wichtig. Trotzdem kamen viele Besucher am ersten Wochenende. Vor allem jene, die im Vorjahr schon da waren. Die angetroffene Menge an Kürbissen überstieg die Erwartungen derart, dass viele völlig überfordert nach Hause gingen und ein grosses Bedürfnis hatten, darüber zu reden. «Die standen wohl fast schon unter einer Art von posttraumtischem Stress», schmunzelt Martin.

Ein neues Phänomen tauchte auf: Kaum dass wir eröffnet hatten, klingelte das Telefon Sturm und es erkundigten sich Menschen, ob wir nicht Hilfe bräuchten. Sie seien gerade auf Jobsuche und diese Riesenausstellung mache doch bestimmt viel Arbeit. Sofort hatten wir genügend Mitarbeiter.

«Darunter war zwar niemand, der wusste, was er machen musste, aber das war nicht schlimm, denn wir wussten es auch nicht»

Beat Jucker

erzählt Beat. Somit konnte und musste jede*r den eigenen Bereich so auf die Reihe kriegen, wie es halt ging. Ein Haufen motivierter Amateure also.

Die Medien kamen dann doch noch. Allerdings schrittweise, eines nach dem anderen und berichteten über diese verrückte Ausstellung. Mit jedem Bericht wuchs das Besucheraufkommen. Und die Berichterstattung gipfelte mit einem Beitrag in der Tagesschau des Schweizer Fernsehens an einem Samstagabend im Oktober. Der folgende Sonntag mit tausenden Besuchern war der extremste Tag der Saison. Der Stau vor dem Parkplatz musste in Kilometern gemessen werden und das in beide Richtungen.

Die Gründerfamilie entsteht

Während der Ausstellung hatten die Juckers das Konzept laufend weiterentwickelt. Jeder, der mit einer guten Idee kam, konnte sogleich loslegen. Da war z.B. Humberto Salazar genannt «Humbi» aus Kolumbien, damals wohnhaft in Wetzikon. Er hatte sich der Kunst des Gemüseschnitzens verschrieben und wurde der erste Kürbiskunstschnitzer der Juckers (Stand 2023 ist er immer noch voll im Einsatz, heute allerdings in Ludwigsburg).

Als mal wieder „Land unter“ war, hat Jens (der Praktikant aus Deutschland) noch seinen besten Freund zur Verstärkung organisiert. Das war Stefan Hinner, der damals BWL-Student war und eigentlich einfach als Tourist in die Schweiz gekommen war. Heute ist dieser Stefan Geschäftsführer bei Jucker Farm Deutschland und Jens Eisenmann unser wichtigster Kürbisproduzent für die Deutsche Ausstellung in Ludwigsburg.

«Irgendwann im Lauf des Frühlings hatte Beat versprochen, an der Herbstmesse in Rafz einen Stand zu machen, was er aber im Kürbisfieber völlig vergessen hatte.»

Martin Jucker

Kurz vor der Messe meldete sich die Erinnerung sanft aus dem Hinterkopf zurück. Mist! Ohnehin schon völlig überlastet, wussten wir nicht mehr, wie das hätte gehen sollen. Wie das Schicksal so spielt, kreuzten sich genau in diesem Moment wieder die Wege mit Walter Pfister welcher auf dem Nachbarbetrieb von Beats Lehrbetrieb seine Lehre gemacht hatte. Auch Walter war einer dieser Kollegen, die schlecht nein sagen konnten. Somit hat die Familie Pfister den Jucker-Brüdern aus der Patsche geholfen und die Herbstmesse kurzerhand übernommen. Auch, als die Ernte der Ölkürbisse zu scheitern drohte, standen Walter und sein Bruder Ueli im Nu auf der Matte und holten den Juckers die Kohlen (bzw. die Ölkürbisse) aus dem Feuer.

Grösser ist besser

Nach einem Wochenende Kürbisausstellungschaos im Jahre 1997 hatten die Gebrüder Jucker ein Jahr später nicht nur ein Wochenende, sondern gleich zwei Monate Dauer-Kürbischaos veranstaltet. Weit über 100’000 Besucher hatten Seegräben in dieser Zeit besucht. Ein für viele unvorstellbarer Erfolg. Der Abschluss der Kürbisausstellung wurde in der Scheune mit allen Helfern gefeiert. Rückblickend eine der wichtigsten Betriebsfeiern für Martin, hat er doch da seine jetzige Ehefrau Nadine kennengelernt.

Nach der ersten Erholungsphase stand allerdings eines fest:

«Nur wenn wir doppelt so viele Besucher haben, können wir es uns leisten, den ganzen Event auch richtig zu organisieren.»

Erkenntnis 1998

Valérie ist Vollblutautorin des FarmTickers und immer zur Stelle wenn's "brennt". Sie mag schöne Texte und offene Worte. (Zum Portrait).

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